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Lisa
(1877-
 
 Baumfeld
1897)
 
 
 
Mondschein
 
Aus grünlich seid'ner Wolkendecke flammte
Der weisse, märchenhelle Mond empor
Wie eine schwere, bleichgeglühte Lilie
Aus sammt'nen Frühlingsrasen silbern blüht ...
Die Mondeslilie hauchte seufzend nieder
Den schwülen Athem, der mir tödlich ist,
Und den ich darum liebe - lechzend liebe,
Wie Farbenklänge, Duftmusik und all'
Die süsse Übertäubung ...
                                   Wie sein Athem
Mir in die Seele floss, zerschmolz sie mir
Zu fliederblassem Duft, und schwebte wolkig
Empor, mit weissem Mondduft sich verwebend ...
 
Das ward ein Hauch, der süssverwirrend mir
Das Haupt berauschte ... ich berauschte fiebernd
Mich an der eigenen Seele ... stürzte hin,
Und kniete weinend vor der eig'nen Seele
Und vor den reinen jungen Gliedern hin,
Und allem Schönen, das sie still verschweigen.
Ich liebte mich verzehrend, und ich liebte
Mit Sehnsucht die vergang'ne Einfalt auch, -
Mit ihren scheuen, grossen Kinderblicken,
Mit ihrem leichten, flüchtigen Erröthen ...
Vor allem aber liebte ich den Schmerz,
Den blassen Schmerz, der mich so namenlos
Zerwühlt in all den schlummerlosen Nächten
Und mich so elend macht ...