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Friederike
(1765-
 
 Brun
1835)
 
 
 
Das Bächlein Celigny am Genfersee
 
Es rauscht ein Bächlein durch grüne Kluft,
  Ich höre sein Rauschen so gerne;
Durch wehende Wipfel strahlt blaue Luft,
  Da weidet der Blick in der Ferne!
O Bächlein so lieb an des Hügels Hang,
Dir möcht' ich lauschen mein Lebenlang!
 
Wie lieblich sinket und steigt und schwillt
  In Wies' und Wald das Gestade!
Dort hebt das Gebirge sich duftumhüllt,
  Hier locken mich schattige Pfade;
O süße Thäler, o Hügel so schön,
Hier mögen sich Herz und Seel' ergeh'n!
 
Wie lacht aus der Tiefe der blaue See,
  Von schneeigen Alpen umraget!
Dort strahlt von Gold die ätherische Höh',
  Wenn's tief im Thal noch nicht taget;
Des Frühscheins Schauer mich tief durchbebt,
Der Geist und Sinne so frisch belebt!
 
Hinab den Pfad in die grüne Nacht,
  Wo dunkle Schatten nur wanken,
Der Sonnenstrahl nur durch das Dickicht lacht,
  Dort wandeln die stillen Gedanken;
Und Fall auf Fall stürzt der Bach dahin,
Es folgt ihm gerne der trunkene Sinn!
 
O weh! wie schweigt's in der öden Kluft,
  Wie schweigt's durch die grünenden Hügel!
Die Vöglein flieh'n in die weite Luft,
  Entfaltend dem Aether die Flügel!
O süßes Bächlein so grün umlaubt,
Wer hat uns dein liebliches Leben geraubt?
 
Der Neumond sucht und der Abendstern
  Die sanfte thauige Welle;
Sie sah'n in der rauschenden Fluth sich gern,
  Und gern in der perlenden Quelle;
Nun blicken sie still und trüb hinab
In des kiesigen Bettes ödes Grab!
 
Und alles trauert und alles schweigt,
  Und Finsterniß lauscht in den Klüften;
Der Platanus welkende Zweige neigt
  Aus sonnendurchglüheten Lüften:
O Bächlein so lieb, o Bächlein so traut
Komm wieder mit fröhlichem Silberlaut!
 
Er kömmt! schon rollt um des Berges Fuß
  Die heiter rieselnde Welle!
Es hüpfet und rauschet mit vollem Guß,
  Und in der Tiefe wird's helle!
Die Fischlein schlüpfen aus Stein und Moos,
Und scherzen dahin in des Freundes Schooß!
 
Und wir, wir singen mit frohem Schall:
  »O Bächlein sey uns willkommen!
Du fehltest uns all' und überall,
  Wer hatte dich Bächlein genommen?
O Bächlein so hell und so lieb und so traut,
Nie fehl' uns dein fröhlicher Silberlaut!«