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Hedwig
(1882-
 
 Caspari
1922)
 
 
 
Propheten
 
Wir sind die in Wüsten Verbannten, uns fürchten Könige,
Wir sind die Verkünder nie bereuter Vergeltung, selber Vergeltung und Schicksal!
Denn unsere Worte sind Wollen, und unser Wollen ist Gott.
 
Unser Wort wirft Feuer zur Erde nieder und frißt als Flamme
Die Leiber der Gottlosen, die da opfern dem Baal und der Astaroth
Und dem Greuel der Ammonskinder. Wir aber frohlocken dem Herrn,
Wenn ihr Fleisch in der schwälenden Glut unseres Wortes sich kräuselt
Und als Staub zum Staube fällt. Die Mächtigen, die uns verbannten,
Schicken Sendlinge aus und harren in Furcht; denn künden wir Untergang,
So schwächt unser Wort die königliche Seele, daß sie tatenlos und dumpf
Dahinsiecht. Doch lebt in unserem Wort die Kraft des Sieges,
Dann ersteht aus ihm das Heer der streitbaren Männer,
Unser Odem wirft die Mauern der Feste, die Überzahl der Feinde
Erwürgt unser Wort, bis ihr Samen vertilgt. Wehschreiende Weiber
Treibt es in Knechtschaft und schmähliche Fron. Der Beute Prunk:
Zähne aus Elfenbein und Barren lauteren Goldes, häuft es im Tempel des Herrn.
 
Wir weilen in Wüsten und auf heiligen Bergen, da des Einen Stimme uns spricht.
Wir steigen hernieder zu den Menschen, gerufen und ungerufen
Und wandern auf vielen Straßen und Wegen, über Flüsse und Niederungen,
An den Toren der Städte vorbei und inmitten des Volkes der Städte.
Mit uns ist unser Wort und wirket Wunder. Es heilt des Fleisches Aussatz
Und hängt sich als Aussatz an den Leib des Verdammten. Wir strafen mit Dürre
                                                                  und Hungerstod;
Die Gottlosen sterben dahin wie Heuschreckenschwärme im Hagel.
Doch in dem einen Kruge höret des Öles nicht auf. Wir legen uns auf Tote
Und erwecken sie mit der Wärme des eigenen Blutes. Unsere Worte
Werden zu wildem Getier und zerreißen, so unserer spotten.
 
Wir wandern von Land zu Land, von Stamm zu Stamm.
Es spricht aus uns unser Wort zu Königen und Schächern,
Zu Huren und Baalsdienern, zu Kriegern und Machthabern.
Zu der Vorhalle des Tempels spricht es dem Priester im Leinenrock
Und am Wege vor der Stadt den aussätzigen Bettlern.
 
Inmitten weidender Schafe erweckt es in dem braunen Hirten
Das Wissen seines Königtums. Wir führen ihn hinfort von seines Vaters Herde,
Wir salben dem Knaben das Haupt vor allen seinen Brüdern
Und wir geleiten ihn zur Stadt Jerusalem.