Zur Startseite
 
Inhalt      Register
 
 
< voriges Gedicht           nächstes Gedicht >
 
Hedwig
(1882-
 
 Caspari
1922)
 
 
 
Psalm
 
Zeiten sind die Gewänder des Ewigen.
Zeiten verhüllen mir, Gott, deinen Anblick
Wie wechselnde Gewänder dem Liebenden
Den Leib der Geliebten.
Ob wasserfarbener Flor,
Nebelhaft gewebt,
Ob prunkender Purpur die Zeit,
Du schimmerst aus ihr hervor,
Der ewig Gleiche in ewiger Wandlung.
 
Gott, warum treibst du mit mir ein Spiel
Wie Weib mit dem Manne?
Was wird dein Antlitz mir
Undurchdringlicher, rätselhafter
In jeder neuen Gewandung?
Was hast du mit Fellen dich behängt
In dunkelnder Höhle?
Wolltest du mich schrecken mit der Wildheit deiner
Bluttriefenden Hände?
Meine Sinne fließen zu dir über,
Drängen sich in die Falten,
Atmen den Duft heidnischer Gewandung.
Starr prunkst du im Dunkel der Kathedrale,
Hart in Brokat.
Himmel bepuderter Lämmerwolken
Dein Haupt,
Gewölbte Blütenbüsche deine Hüften.
Im Glied einer Kette,
Gleichend den Gliedern der Kette,
Wirkst du im Kleide der Arbeit.
 
Du verwirrst, du bedrängst mich, Gott,
Im Spiel deiner Wandlung.
Bist du Blutrausch, Arbeit,
Entsetzen, Freude?
Oder meine Sehnsucht? -
So laß mich dein Minnesänger sein!
Laß mich träumen von dir unter dem Wechsel deiner Zeiten,
Laß nie mich trauern,
Daß deine Nacktheit mir verschlossen.
Meine Hymnen umbranden dich.
Anbeten will ich dich, Unverstandener!