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Artikel zu Sibylla Schwarz (1621-1638) in »Teutschlands Galante Poetinnen« (1715) von Georg Christian Lehms (1684-1717):

Schwartzin (Sibylla.)

DAß viele eigensinnige Köpffe dem Frauenzimmer die Bücher und Federn aus den Händen zu reissen suchen / ist so wohl eine ausgemachte Sache / als eine nicht geringe Thorheit. Indem aber dieses edle Geschlecht gleichfalls zu Erkenntnüß seines menschlichen Elendes und zu Verbesserung seines Verstandes gebohren / solte man dasselbe billich von Jugend auff dahin anweisen / vernünfftig-klug zu werden. Dieses aber bedencken sehr wenig Eltern / und eben dadurch geschicht es: daß das weibliche Geschlecht in ihrer natürlichen und angebohrnen Einfalt verbleibet / und sich nimmermehr keiner Verbesserung zu getrösten hat.

Gar anders war unsere gelehrte von Schurmann in der vorhergehenden Erzehlung gesinnet; denn sie hielt das Studieren vor eines Frauenzimmers sonderbahre Glückseeligkeit / und wenn wir Ihre Dissertaton, de ingenii muliebris ad doctrinam & meliores doctrinas aptitudine und zwar die defendirte Thesin ansehen: daß einem Christlichen Frauenzimmer das Studieren gar wohl anstehe / werden wir an dem Ende derselben endlich dieses Consectarium finden.

Foeminas optimis ac validis rationibus sapientum testimoniis, ac denique illustrium foeminarum exemplis posse ac debere ad hoc vitae genus amplectendum excitari; inprimis autem eas, quae otio, aliisque mediis ac subsidiis ad studia Litterarum prae caeteris sunt instructae. Et quia praestat ab ipsa infantia melioribus studiis mentem imbui: igitur ipsos parentes primario instigandos atque sui officii seriò admonendos esse putamus.

Ist sehr wohl raisonnirt / und wenn es bey manchen Ingeniis beobachtet würde / könnten solche bald aus der Finsternüs und vielen absurden Praejudiis gerissen werden die sich in Ermanglung guter Wissenschafften und der Lecture so fest setzen: daß sie alsdenn unmöglich auszureden oder zu corrigiren seyn. Ohne Zweiffel muß unsere Schwartzin / aus Gripswald eben der Gedancken gewesen seyn / denn sie hat das Zeugnüß / daß sie eine geschickte und gelehrte Jungfer gewesen / und nechst diesem auch einen sehr schönen Vers / in ihrer Mutter-Sprache habe auffsetzen können. Der berühmte Morhof * schreibet an einem Orte folgendes.

Vor allen Dingen muß allhier nicht vorbey gegangen werden / daß wir in Teutschland Frauenspersonen gehabt / und auch noch zur Zeit haben / die die Männer selbst in der Dichtkunst beschämen können. Um das Jahr 1638. lebte Sibylla Schwartzin / Herrn Christian Schwartzens / Fürstlichen Pommerischen geheimen Land-Raths und Bürgermeisters der Stadt Greiffswalde Tochter. Diese war traun ein Wunder ihrer Zeit / denn sie hat von dem 13. Jahr ihres Alters biß zum 17. worinnen sie seeligen Todes verblichen / Verse geschrieben / die vor solche zarte Jugend und zwar eine Jungfer unvergleichlich sind. Da zu derselben Zeit Männer / die in ihrem vollständigen Alter / und nachgehends keinen geringen Ruhm in der Poesie erworben / es ihr bey weitem nicht gleich gethan. Nach ihrem Tode sind ihre Verse von M. Samuel Gerlachen zu Dantzig An. 1650. in 4to heraus gegeben und mit des Herrn Pastorii und Herrn Titii auffrichtigen Lobsprüchen beehret worden. Hierzu fügt er noch bey / was Herr Titius von ihr geschrieben /

Haec fuerat, si qua potuissent rumpere fata,
  Teutonici Virgo gloria prima Chori
Quos olim cantus annis provecta dedisset,
  Tam docta tangens ungue puella chelyn!

Itztgedachter Herr Morhof berichtet auch / daß Ihre Gedichte in sehr wenig Händen / und deswegen hat er etliche Strophen aus dem Schertz-Liede / welches sie auff den unadelichen Adel recht sinnreich und stachlicht verfertiget / mit angeführet / die wir anitzt gleichfalls als eine Probe von Ihr gebrauchen werden.

Wer den Weg der Demuth kennet /
Der ist edel nur allein:
Wer sich selbst unedel nennet /
Der mag zweymahl edel sein.
Der ist edel vom Gemüth
Und nicht schlecht nur von Geblüth.
 
Marius will nicht viel preisen
Seiner Ahnen Ruhm und Schild
Sondern will viel lieber weisen /
An Ihm selbst der Eltern Bild.
Denn es sind nur bleiche Wangen /
Die mit frembder Röhte prangen.

Ihre Sonette, so sie verfertiget / sollen auch sehr gut seyn / davon nachfolgende Probe das beste Zeugnüß ablegen wird.

              Sonnet.
 
ISt lieb ein Feur / und kan das Eisen schmiegen /
Bin ich voll Feur / und voller Liebes-Pein /
Wovon mag doch der Liebsten Hertze seyn?
Wanns eisern wär / so würd es mir erliegen /
Wanns gülden wär / so würd ichs können biegen
Durch meine Gluth: Solls aber fleischern seyn /
So schließ ich fort / Es ist ein fleischern Stein;
Doch kan mich nicht ein Stein / wie sie betriegen.
Ists dann wie Frost / wie kalter Schnee und Eiß /
Wie preßt sie dann aus mir den Liebes-Schweiß?
Mich deucht: Ihr Hertz ist wie die Lorbeer-Blätter /
Die nicht berührt ein starcker Donner-Keil.
Sie sie verlacht Cupido deinen Pfeil /
Und ist befreyt für deinem Donner-Wetter.

Die andern sollen dieses Exempel weit weit übertreffen. Endlich schreibet der Hr. Morhof: Es nehme ihn Wunder / daß man diese galante Poetin nicht in grösserer Hochachtung gehalten / sondern noch darzu / dieser grossen Gaben halber / verleumbdet / worüber sie hin und wieder klage / welches ein unfehlbares Zeichen der ungeschliffensten Grobheit sey; Ja er setzet noch hinzu: Daß die alten Griechen und Römer / ja auch noch heute die Außländer / vielmehr unter solchen Exempeln die Ehre ihrer Nation würden gesucht haben. Nun glaube ich fast selber daß die Medisance vieler ungewaschenen Mäuler das weibliche Geschlecht abhält / sich denen Studiis zu wiedmen / oder etwas galantes auffzusetzen und der Welt zu communiciren / allein derselben Urtheile sind den Vernünfftigen so thöricht und abgeschmackt / als des Midas / welcher um deswillen die Bauerische Pfeiffe des Pans dem angenehmen Klang des Apollonis Laute vorzohe / weil sie mehr Geräusch machte.

Solten dergleichen böse Gemüther eine gleiche Straffe mit diesem wilden Midas zu gewarten haben / würden andere gewiß solche hochmüthige Urtheile zurück halten. Indessen aber hat ein Frauenzimmer nicht Ursache / dieserwegen von ihrem Fleiß und Geschicklichkeit abzustehen. Denn so wenig die mit dem gefährlichen Nahmen eines Büffels oder Scorpions bezeichnete Sterne von ihrer Reinigkeit etwas verliehren / so wenig können auch die Medisanten Reden gottloser Mäuler solchen gelehrten Tugend-Lichtern den durch ihre Wissenschafften erlangten hellen Glantz entziehen / oder denselben gar verdunckeln; au contrair, dieses soll ihnen eine desto stärckere Reitzung seyn / in löblichen Verrichtungen fortzufahren. Denn eine großmüthige Verachtung tödtet solche unedle raisonnements den Augenblick / und ziehet allen Tort und Verdruß auff diejenigen zurück / damit sie uns kräncken und belegen wollen.


* In dem Unterricht von der Teutschen Sprache und Poesie / und zwar in dem IX. Capitel von der Teutschen Poeterey dritter Zeit p. m. 398. 399. seqq.

Quellenangabe: Georg Christian Lehms: Teutschlands galante Poetinnen. Mit ihren sinnreichen u. netten Proben. Nebst e. Anh. ausländ. Dames, so sich gleichfalls durch schöne Poesien bey d. curieusen Welt bekannt gemacht, u. e. Vorrede, daß das weibl. Geschlecht so geschickt z. Studieren, als das männl. / Ausgefertiget von Georg Christian Lehms. - Unveränd. Nachdr. d. Aufl. Frankfurt am Main, Hocker, 1715. Darmstadt: Bläschke, 1966. (S. 219-225)


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