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Louise (1819- |
Otto
1895) |
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Wartburg I. »Hier, diesen Harnisch hat ein Weib getragen«, Sprach in der Burg der alte Kastellan. Wohl gilt's jetzt nicht, das Herz in Erz zu schlagen. Daß nicht ermordend ihm die Feinde nahn! Mein weiblich Herz wollt ihr mit Gift verwunden - Wohl bitter hat es euer Thun empfunden! Doch mag es nimmer andern Schirm und Schild, Als die Begeistrung, die vom Herzen quillt. Hoch am Himmel stand die Sonne, Gleich einem Engel mit goldenen Flügeln Ausgesendet vom Thron des Höchsten, Zu segnen die Erde mit Glanz und Wärme. Und der Engel breitete Die strahlenden Arme weit aus - Und es war als zög er die aufatmende Erde Näher dem Himmel, näher der Gottheit. Goldene Strahlenringe zog der Engel von seinen Fingern, Verteilte sie dahin und dorthin; Und die Ringe wurden zu Heiligenscheinen, Zu Himmelsglorien auf den Gipfeln der Berge, Dahin sie der Engel geworfen. Und solch eine Himmelsglorie, Solch ein Heiligenschein krönte noch einmal Die Krone der Burgen des Thüringer Waldes: Die uralte Wartburg. Ich stand und schaute So lange ich daheim verweilt Ein spielendes Kind, eine sinnende Jungfrau An den Ufern der Elbe, wo uralte Burgen Verwitterte Klöster unheimlich mahnen An des Mittelalters eiserne Gestalt: An den Ufern der Elbe, wo grünende Reben Mit reifenden Trauben verheißend mahnen An der neuen Zeiten gärende Gewalt. So lang ich daheim verweilt an den Ufern der Elbe, Den reben- und burgbekränzten, so lange auch weilte Die Sehnsucht in meiner Brust nach der Krone der Burgen Des Thüringer Waldes: der uralten Wartburg. Nun stand sie in Himmelsglorie mit dem Heiligenschein Vor den trunkenen Blicken. Meine Hände waren gefalten, Thränen mir in den Augen wallten, Nieder ein Tropfen fiel: Ich war am Ziel. II. Hinauf die Berge, die waldumkränzten, Hinauf zur Burg, der erinnerungsreichen! - Noch steht sie da ein heilig sichres Zeichen, Daß was in ihr gekämpft ward und gestrebt Auch wir ersiegen, wenn wir nimmer weichen Gegrüßt! gegrüßt, Du Veste des Vaterlands, Du deutsche Burg mit dem deutschen Namen. »Wartburg«! Ach, nur zu deutsch, Denn wo auch der Deutsche sich eine Burg mag bauen Zu wahren seine heiligen Rechte, Da läßt man ihn warten! - Und er wartet geduldig - wie lange noch?! - Und drinnen im hochgewölbten Rittersaal Winkt zwischen gothischen Säulen Das Bildnis einer Heiligen. Ja, einer Heiligen, die ich heilig preise, Ob ich auch oft gehöhnt und verspottet Die heilig gesprochnen, gebeugten Gestalten, Die 's nur mit Fasten und Träumen gehalten. Die sich gegeißelt, die sich gemartert, An ihrem Leibe gefrevelt Im frechen, thörichten Wahnsinn Um die Gunst des Himmels zu buhlen. Ob ich auch bilderstürmerisch im Gemüte Oft gestanden in Kirchen und Klöstern, Wo Götzenbilder geprangt mit Heiligenscheinen Weil sie die Menschheit frevelnd entmenschlicht, - Es verstummte das scheltende Wort Und der Spott auf der Lippe - Und eine fromme Thräne trat in mein Auge Vor Deinem Bildnis: Heil'ge Elisabeth! Die goldene Grafenkrone, Den eitlen schimmernden Reif Nahm sie demütig aus den Locken Dem gegenüber, Der einst eine Dornenkrone getragen. Ihm hatten nichts gegolten Purpur und Kronen, Und nichts die Macht auf goldenen Thronen, Ein Kind aus dem Volke Hat er's gehalten mit den Armen und Niedrig gebornen, Mit den Verachteten und Verstoßnen. Die Hungernden hat er gespeist, Die Kranken hat er geheilt, den Schwachen vergeben. Und mochte nie den ersten Stein erheben Auf eine schwache Sünderin. Und wie er lebte für das arme Volk Ist er gestorben für die Ausgestoßnen Und hat als seine Erben hinterlassen, Die Armen aller Völker, aller Zeiten, Die Armen alle, die er Brüder nannte, Und die ja um uns sind noch alle Zeit. - Das wußte wohl Elisabeth! Sie hat die große Erbschaft angetreten Bei ihres Landes, ihres Volkes Armen: Sie hielt's nicht nur mit Fasten und mit Beten, Sie hatte für die Leidenden Erbarmen, Hernieder stieg sie von der Wartburg Zu den Bekümmerten, und als graunvolle Hungersnot Den Segen aufgezehrt und bleiches Elend Wie ein grausiger Fluch wandeln ging durch die Lande, Kehrte Elisabeth wieder die Flüche in Segen, Gab was sie hatte, sich selbst nicht besser achtend Als die Geringsten im Volke. Doch als der Gatte ergrimmt ob so reichlicher Spenden, Da wandelten sich unter ihren Händen Die Brote in Rosen - Doch war sie entronnen den Augen der Späher Und stand unter den bleichen Gestalten der Not, Da wurden wieder die Rosen zu Brot. Und in der heiligen Wundermäre Ruht eine Lehre für unsere Zeiten: Seht Ihr die Kindlein Blumen pflücken, Den duftenden Strauß in den Händen der Not, So wandelt die Blumen in Brot. III. Und drinnen im hochgewölbten Rittersaal Feiertest Du, göttliche Himmelstochter, Poesie, Deinen edelsten Sängerkrieg! Damals zogen die Sänger noch ein In die Hallen der Fürsten und Großen, Priesen der Minne Glück, priesen das Vaterland, Waren geächtet noch nicht und verstoßen. Die Großen fühlten höchlich sich geehrt, Wenn der Poet bei ihnen eingekehrt. Das ist vorbei! Wohl giebt's noch Sängerkriege, Aber in anderem Sinne Als einstens der Sängerkrieg ward gefochten In deinen Hallen, uralte Wartburg. Krieger sind jetzt die Sänger Gottentflammte begeisterte Volkstribunen. Aber nicht um einander zu entreißen Ruhmespsalmen singen und kämpfen sie - Nein, eine höhere Sendung Ist jetzt den Dichtern geworden. In gleicher Gesinnung Stehen und kämpfen sie nebeneinander; Ziehen nicht ein in die Hallen der Großen, Sie sind daraus verstoßen -- Haben sich selbst verbannt. Draußen aber bei allem Volk In den Hütten der Armut Vor den Kerkern Unschuldiger Singen sie ihre Weisen: Von den Rechten der Unterdrückten, Von der Freiheit der Gefesselten, Von den Freveln der Reichen, Von der Teilung der Arbeit und des Erbes Für alle Menschgeborenen! Das ist ein Sängerkrieg, ein neuer, heiliger Und sicher ist sein Sieg. IV. Und mich umklang es wie brausender Sturm! Wie Orgelklang hört ich's tönen, Und laut in den innersten Tiefen der Seele Vernahm ich ein feierlich Wort, Das wie ein Echo von diesen Wänden Mir wieder und wieder erklang, Es war das Wort aus dem alten Gesang Des mutigen Mönches vergangener Zeit, Der mit diesem Lied seine Zelle geweiht. »Und ob die Welt voll Teufel wär' Und wollt uns gar verschlingen, So fürchten wir uns nicht so sehr, Es muß uns doch gelingen!« Ja, Luther hat vor Menschen nicht gezittert Und nicht vor einer Welt voll Teufel! Kam dennoch der Versucher, ein zagender Zweifel Da faßte der kühne Mann das Tintenfaß Und warf's dem Dämon siegvoll hin. So hat er protestirt gegen die Lügenbrut So protestieren wir: schleudern die Tintenflut Unsrer Begeistrung Ströme Gegen die Frömmler und Pharisäer Gegen all die Philister und Spukgestalten Die's mit dem Teufel halten, Der wider Recht und Pflicht Und wider Freiheit ficht. Wir werden nimmer die Waffen strecken Bis alle Feinde rings vernichtet Und alles Dunkel aufgelichtet. Gilt's nicht zu handeln - gilt es doch zu schreiben. Es soll das Wort den Lügengeist vertreiben: »Das Reich Gottes muß uns bleiben! -« V. Sinnend stand ich, traumverloren Vor dem kleinen Altar in der Kapelle. Schwarze Gewitterwolken waren aufgezogen Südlich am Himmel. Mitten in die purpurne Abendröte Zuckten goldene Blitze flammend in Siegesgewißheit, Und dennoch schnell verschwindend - Also zuckte durch meine Seele, Blitzend ein Gedanke Eine Gedächtnistafel schwarz-rot-golden In meinem Innern enthüllend. Und auf der Tafel stand mit leuchtender Schrift: Tausend achthundert und siebzehn. Und ich stand vor dem Altar Vor dem damals die deutsche Jugend Siegesmutig gestanden, In allgemeiner Liebesverbrüderung Sich die Hände gereicht und das vaterländische Bündnis Auf die Hostie feierlich beschworen. Und ich stand vor dem Altar Thränenden Auges! Und doch fühlt ich wie sie, wie die hoffende Jugend, Jugendkraft in den Adern Freiheitsglut - Todesmut Für die heilige Sache des Vaterlands! - Aber ich stand und weinte. Auch das mutige Aufjauchzen Aus dem Herzen der deutschen Jugend Durfte nicht frei in die Lande dringen Durfte es damals nicht - darf es auch heute nicht - Denn es will mich bedünken: Als habe der Argwohn selbst eine Burg erbaut Mitten im deutschen Land - auch eine Wartburg! VI. Sinnend trat ich hinaus In den mauerumgebenen Schloßhof, Wo junge Gräser sproßten, Kinder der neuen Zeit, Die nichts gesehen von der vergangenen Tage Herrlichkeit, Von der vergangenen Tage Leid. Hinter den wallenden Wolken Schaute noch einmal ruhig strahlend hervor, Die unvergängliche Klarheit der Sonne. Und beleuchtete zu meinen Füßen, Ein Werk der spielenden Natur, Im dreigeblätterten Klee - ein Vierblatt. Ich pflückt' es als Angedenken - als vierfaches An diese Burg, die erinnerungsreiche, Und that dabei einen Schwur, einen vierfachen: Elisabeth, die Heilige, Sei mir ein Vorbild in stiller Demut In allumfassender Menschenliebe Der Armen mich zu erbarmen. Und in dem Sängerkrieg, dem neuen, heiligen Will ich stehen und fechten, bis mit dem letzten Lied Der letzte Odemzug der Brust entwallt! Und protestieren will ich nach Luthers Wort, Und für den freien Glauben Mit freier Rede in die Schranken treten! - Und fest verbrüdert mit der deutschen Jugend Weih' ich dem Vaterlande all mein Streben, - So steh ich ernst und frei vor allem Volk. Und wollt Ihr nun mich höhnen und verdammen, Weil nur die schwache Jungfrau zu Euch spricht: Nicht löschen könnt Ihr der Begeist'rung Flammen, Könnt sie nur schmähen, aber dämpfen nicht, Und wenn mein Herz von Euch verstoßen, bricht, So bricht's mit Luthers Worten doch zusammen: »Gott helfe mir! - doch anders konnt ich nicht!« - |