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Susanna Elisabeth
(1657-
 
 Zeidler
1706)
 
 
 
An einen bekanten Freund
 
Er höre werther Freund / was sich unlängst begeben /
  Als ich bey Sonnenschein in unsern Garten saß /
Da sah ich in der Lufft ein kleines Vöglein schweben /
  Das senckte sich zu mir hernieder in das Gras.
Ich fieng es eilend auff / mich dessen zu bedienen /
  Stat eines Botens / doch es war mir zugeschwind:
Denn ehe ich michs versah / so schwermten unsre Bienen /
  Indessen flogs davon / gleich wie der schnelle Wind.
Da war mein Anschlag aus: Was (dacht ich) kanstu machen /
  Es ist nu allzuspät / der Bote ist schon fort /
Der mir kan dienlich seyn in so geschwinden Sachen /
  Und mir den kleinen Brieff hintragen an den Ort
Wo Fürst Apollo selbst hat seinen Sitz genommen /
  Und wo Minerva kehrt zusampt den Musen ein /
Dahin auch mancher Freund der Pierinnen kommen /
  Und mein Herr - - itzt wird anzutreffen seyn.
Was kan ich nu dafür das mirs nicht angegangen /
  Wie ichs bey mir bedacht? Die Schuld ist itzt nicht mein /
Werd' ich den fliegenden Postreuter wieder fangen /
  So soll er alsbald in seinen Diensten seyn.
Und über Berg und Thal sich eylend zu Ihm schwingen /
  Und wenn er ihm den Gruß und Brief hat zugestellt /
So soll er uns von Ihm auch wieder Zeitung bringen /
  Obs ihm noch wohl ergeht / und wie es ihm gefällt.
Frau Fama hat bißher uns nichts von ihm berichtet
  Seit das mein werther Freund am letzten bey uns war.
Er weiß ohn Zweiffel wohl was Amor hat gedichtet /
  Als in der Fastnachtszeit das werthgeschätzte Paar
In der bekanten Stadt ihr Hochzeit=Fest begangen.
  Doch were dieses Ihm zur Zeit noch unbekant /
Und Er dasselbe wird an seinem Ort verlangen /
  So soll es ihm von hier auch werden zugesandt.
Indessen leb er wohl / ich aber muß beschliessen /
  Dieweil mir Feder / Zeit / und anders mehr gebricht.
Und auch der schlechte Verß nicht mehr wil zierlich fliessen
  Wer aber diß gemacht / das weiß ich selber nicht /
Vielleicht ists eben der so vormals gleicher massen
  An ihn den Hochzeit-Brieff geschrieben solcher Art /
Da er die Unterschrifft des Nahmens weggelassen /
  Damit er Zeit / Papier und Dinte hat erspart.
Der liebe Niemand wirds ohn Zweiffel sein gewesen /
  Doch wenn ihm etwas diß was seltzam kömmet für /
Indem er diese Schrifft gewürdiget zu lesen /
  So denck Er / das es sey bey uns also Manier.