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Susanna Elisabeth
(1657-
 
 Zeidler
1706)
 
 
 
Trauergedicht über den sel. Abschied
Jungfr. Marien Elisabeth Sikelin d. Julii 1681

 
Wir hofften / als man sprach / es wird nu Friede werden /
Das Unglück würde gantz verschwinden von Erden /
  Weil man bey Friedenszeit fein sicher leben kan.
  So ist es weit gefehlt / so fängt sichs erst recht an.
Das hochbetrübte Land / das durch das grimme Morden
Und Tyranney der Pest so gar verwüstet worden /
  Das stecket allbereit die Trauerfahne aus /
  Weil man in grosser Zahl die Kinder trägt hinaus.
Die Kinder welche der Mansfelder Land erzogen /
Derselben Todesfall hat ietzo auch bewogen
  Zu solcher Traurigkeit die treue Pflegerin:
  Weil Sie mit grossen Schmertz und hochbetrübten Sinn
Sie häuffig schicket in den finstern Schos der Erden /
Die denn nichts weniger mit kläglichen Geberden
  Ihr schwartzes Angesicht / mit Trauerflor bedeckt
  Und auf ein iedes Grab des Leydeszeichen steckt.
Es siehet jämmerlich / das Feld beginnt zu trauren /
Dieweil es wird beraubt der stets bemühten Bauren /
  Der welche Tag und Nacht durch unverdroßnen Fleiß
  Das liebe Land bestellt / mit saurer Muh und Schweiß
So wollen auch nicht mehr die fruchtbarn Bäume grünen:
Es sind nicht sehr bemüht die arbeitsamen Bienen /
  Sie tragen nur für sich und ihre Kinder ein /
  Dieweil sie nu nicht mehr dem können dienlich seyn
Dem sie den Uberfluß der süssen Frucht gegeben /
Weil ihrer doch nicht viel die Pest hat lassen leben.
  Die Bäume allzumahl verbergen ihre Frucht /
  Weil solche niemand mehr an ihren Zweigen sucht /
Darum so geben sie den Raupen zu verzehren
Der frischen Zweige Laub / die sich also verheeren
  Das sie gantz wieder die Natur und ihren Brauch
  So kahl und traurig stehn als wie ein Dornenstrauch /
Desgleichen wollen uns des Edlen Weines Reben
Nicht mehr den süssen Safft und Himmels=Nectar geben /
  Sie stehen kümmerlich / ihr nasses Auge weint /
  Dieweil diejenigen nicht mehr vorhanden seynd
Die ihrer Tugend Preiß biß an die Sterne spielten /
So bald sie nur bey sich desselben Würckung fühlten.
  Das schöne Blumenfeld steht itzo gantz betrübt /
  Weil die nu sind dahin / die vormahls stets beliebt
Derselben Zierligkeit: Die züchtige Jungfrauen /
Die mit Belustigung sie pflegten anzuschauen
  Die sind den Blumen gleich vom Winde abgeweht /
  Weil ihre Schönheit nur auf schwachen Füssen steht.
Und so ist alles nu mit Trauren angefüllet /
Ja Phöbus selber hat sein Angesicht verhüllet /
  Der stoltze Phaethon bekümmert sich so sehr /
  Das er für Traurigkeit sich selber stürtzt ins Meer.
Es grämet sich hierum der schöne Regenbogen.
Der gantze Helikon ist ietzo überzogen
  Mit schwartzen Trauertuch: Aurora leuchtet nicht
  Und deckt mit Wolcken zu ihr blasses Angesicht.
Minerva klaget sehr die hochberühmten Leute /
Die ietzo müssen sein des Todes Raub und Beute /
  Und saget das zugleich die werthe Priesterschafft
  In grosser Anzahl sey vom Tode hingerafft.
Die Musen fliehen selbst von ihres Hügels=Spitzen /
Apollo wil nicht mehr auff dem Parnasso sitzen /
  Weil er an seiner Kunst sehr grossen Abgang spürt /
  Und manches Musenkind die Morta ihm entführt.
So zweiffelt Daphne fast / ob sie sich mit den Zweigen
Des grünen Lorberbaums noch ferner werde beugen
  Umb der Poeten=Haupt / weil sie nu sind dahin
  Mit ihrer Tichterkunst und kluger Phöbus=Sinn.
Doch lässt sie gleich wohl noch die edlen Zweige grünen /
Damit ins künfftige noch ferner zubedienen
  Manch kluges Musen=Kind und edlen Pallas Sohn
  Der schon vor langer Zeit verdient die Lorberkron.
Auch wil Fortuna nicht auff Erden mehr regieren /
Weil Morta sie nicht mehr ihr Regiment lässt führen /
  Als welcher Grausamkeit der Menschen Glück verkürtzt.
  Die Töchter Helikons sind itzo so bestürtzt /
Das auch Melpomene für Trauren nichts kan sagen.
Derhalben haben mir die Musen auffgetragen /
  Das ich an ihrer stat / und zwar zu diesem mahl
  Ein Kind beklagen soll / das neulich in die Zahl
Und in die Schwesterschafft der Musen sey gekommen /
Das habe ihnen nu die Pest hinweg genommen
  Durch ihre Grausamkeit / und in das Grab gebracht /
  Das schmertzte sie so sehr: Sie hätten zwar gedacht /
Sie wolten ihr zur Lust ein Hochzeit-Carmen bringen /
So müsten sie ihr nu ein Grablied helffen singen.
  So könten sie ietzund für grossen Hertzeleid /
  Für Schmertz / Bekümmernüß und höchster Traurigkeit
Sie zu beehren nicht ein eintzig Wörtgen tichten /
Darum so solte ichs an ihrer stat verrichten.
  Und dieses würde mir um so viel leichter seyn /
  Als es erfoderte ihr edler Tugendschein.
Ich aber wuste mich damahls nicht zu besinnen
Aus was Ursachen sich die edlen Pierinnen
  So sehr bekümmerten / und wer die Nimphe sey /
  Die edle Nimphe die der blasse Tod so frey
Und jehling hingerafft in ihren jungen Tagen /
Und mochte gleichwohl nicht die Pierinnen fragen.
  Biß ich hernach erfuhr mit hochbetrübten Sinn /
  Es sey das liebe Kind / die Jungfer Sikelin.
Ich wuste selber nichts für Schrecken zu beginnen /
Dieweil das Edle Bild der Spiegel keuscher Sinnen
  An Kunst und Tugend reich / an Schönheit und Verstand /
  Das ihres gleichen man wohl selten irgend fand.
Nu solte ihre Zier Holdseligkeit und Tugend /
Die angenehme Zeit den Frühling ihrer Jugend /
  Der keuschen Jungfrauschafft noch unverwelckten Krantz
  Dem grimmen Menschenfeind am bittern Todes-Tantz
So bald und unverhofft zum Raube überlassen.
O klaglicher Verlust / ô Schmertz ohn alle massen /
  Ich hätte nimmermehr / mein liebstes Kind gedacht /
  Das du mir alsobald solst geben gute Nacht.
Ich kan für Weinen fast kein eintzig Wort mehr sprechen.
Mein Hertz das möchte mir für Traurigkeit zubrechen /
  Wenn ich gedencke an den letzten Abschieds=Kuß /
  An deinen Trauer=Brieff / und an den letzten Gruß
Den ich damahls empfing von deinen lieben Händen /
Und den du mir noch zum Gedächtnüß woltest senden /
  Da allbereit die Gifft in deinem Hause war /
  Und dir dein Leben nur noch hieng an einem Haar.
Drum muß ich dir auch noch im Tode Ehr erweisen:
Wo fang ich aber an dich edles Kind zu preisen?
  Wo find ich solchem Ruhm der deiner Tugend gleicht?
  Weil meine Feder nicht dein hohes Lob erreicht.
Was GOtt und die Natur dem Nymphen Volck zu weilen
Zur freyen Zierligkeit sonst pflegen mitzutheilen /
  Als Demuth / Höfligkeit / Geschickligkeit und Zucht /
  Und was man sonst noch mehr beym Frauenzimmer sucht /
Das alles war bey dir / du Zierde der Jungfrauen /
Gantz überflüßig und vollkömmlich anzuschauen.
  Denn damit hatte dich der Himmel selbst beziert /
  Und auf der Tugend-Bahn von Jugend auffgeführt.
Das man dich wohl mit Recht die Krone konte nennen
Des gantzen Nimphen Volcks. Als ich dich lernte kennen /
  Bewegte mich alsbald dein edler Tugendschein /
  Das ich dir muste hold und wohlgewogen seyn.
Und was soll ich noch mehr (ach Himmel hilff mir klagen)
Von deiner werthen Gunst und treuen Freundschafft sagen?
  Dein tugendhafft Gemüth war aller Falschheit feind /
  Nur wer auffrichtig war / der war dein Hertzens=Freund.
Die Demuth war dein Kleid / sie war dir angebohren /
Hingegen hattest du die Hoffart gantz verschworen /
  Verdammt und gantz verflucht als eine Centner Last /
  Denn was hochmüthig war / das war bey dir verhaßt /
Weil dein auffrichtig Hertz nur das beständig liebte /
Das sich so fein wie du in gleicher Demuth übte.
  Ich schätzte mich beglückt und recht vergnügt zu seyn /
  Als ich / mein liebstes Hertz mit dir mich liesse ein.
In treue Schwesterschafft / dazu ich dich erkohren /
Und eine ewige Vertrauligkeit geschworen /
  War ich gleich nicht wie du an Qualitäten reich /
  So waren wir iedoch einander ziemlich gleich
An Gaben des Gemüths / ich liebte dich vor allen /
Und liesse mir auch das / was dir gefiel / gefallen.
  Denn beyder Hertz und Mund die stimmten überein
  Recht nach Geschwister Art / ohn allen falschen Schein.
Was dir zu wieder war / was du nicht kontest leiden
Dasselbe hasste ich / das wust ich auch zu meiden.
  Dein Hertz war wie Magnet / der Eisen nach sich zieht
  Mit gantz subtiler Krafft / so zog auch dein Gemüth
Und holde Freundligkeit mein Hertz zu deinem Hertzen /
Dein Glück ergetzte mich / dein Unfall war mein Schmertzen /
  Abwesend schickten wir einander schrifftlich hin
  Den treuen Freundes Gruß. Man sahe einen Sinn
Nur ein Hertz und Gemüth in zweyen Leibern wohnen /
Noch kanstu blasser Tod derselben nicht verschonen
  Die selbst mein Leben war / es gilt dir alles gleich /
  Es sey alt oder jung / an Kunst und Tugend reich /
Schön oder ungestalt / du raffst es von der Erden
Ohn allen Unterscheid. So wirds auch endlich werden
  Mit uns / wenn sich zuletzt wird scheiden Leib und Geist /
  Wenn durch des Todes Macht des Lebensfaden reist /
So fällt die Rose ab / die Schönheit muß erbleichen /
Gleich wie die Blumen so die Winde überstreichen
  Mit grossen Ungestüm / nichts sind als dürres Heu.
  Und so bricht nu der Tod die Schwesterschafft entzwey.
Und nimmt mir alle Lust / o Freundin / mit von hinnen.
Du lebest zwar beglückt / dort bey der Sterne Zinnen /
  Ich aber muß numehr in steter Einsamkeit.
  Zu bringen ohne dich die bittre Lebenszeit.
Ich bin dem Tode zwar vor dieses mahl entkommen /
Doch hastu mir mein Hertz mit in dein Grab genommen.
  Und weil ich nicht mehr kan persönlich bey dir seyn /
  So senck' ich meine Gunst mit in dein Grab hinein.
Gleich wie die Echo dort / die den Narcissum liebte /
Und sich um seine Gunst so hefftig sehr betrübte /
  Das sie in kurtzer Zeit dem Schatten gleich verschwand /
  Und man nichts mehr von ihr denn nur die Stimme fand.
Die man noch diesen Tag kan in den Wäldern hören.
Und so würd ich mich auch für Traurigkeit verzehren.
  Du bist zwar gantz befreit von allem Ungemach /
  Ich aber schicke dir viel tausend Seufftzer nach.
Und werde dich hinfort / wie ich dir offt geschrieben /
Mein liebstes Schwesterchen / auch nach dem Tode lieben /
  Und deine Freundschafft wird mir unvergessen sein.
  So lange mir GOtt gönnt den kurtzen Lebenschein.
Wenn alle Weiden blühn / und Rosen werden tragen /
So werd ich deinen Tod auffhören zu beklagen /
  Und wenn das Wasser fleust den hohen Berg hinan /
  Wenn alle Schiffe gehen auff trockner Erdenbahn.
Wenn sich der Fische Zahl auff dürrem Lande nehren /
Und alle Vögel sich im Wasser werden mehren /
  Ja wenn das grosse Meer wird gäntzlich trocknen ein /
  Denn wird dein Nahme auch bey mir vergessen seyn.
Ich wil ihn also fest in mein Gedächtnüß schreiben /
Und deinen Tugendruhm der Nachwelt einverleiben /
  Und dein unsterblich Lob das soll nicht untergehn /
  So lang ans Himmels Dach die blancken Sterne stehn.
Ihr keuschen Gratien / helfft ihren Tod beklagen /
Weil bey so früher Zeit zu Grabe wird getragen
  Die eures gleichen war / und der der Krantz gebürt
  Der schöne Ehren-Krantz / der euer Haupt beziert.
Beseufftzet ihren Tod / ihr Lust gezierte Felder /
Ihr Wiesen allzu mahl / ihr kühle Schatten-Wälder /
  Die ihr uns offtermahls durch eure Lieblichkeit
  Gegönnet manche Lust bey schöner Frühlingszeit.
Hengt eure Zweige itzt / ihr Bäume / traurig nieder /
Ihr Nachtigallen singt nicht mehr die Freudenlieder /
  Verstumme gantz und gar du frohes Vogelheer /
  Weil die nu ist dahin / dieweil man nu nicht mehr
Mit solcher Lieblichkeit dieselbe höret singen
Die ihre Stimme ließ mit solcher Anmuth klingen
  Das Sie der Königin der gantzen Vogel Schaar
  An solcher Zierligkeit weit überlegen war.
Wenn wir uns setzten in den kühlen Schatten nieder /
So stimmte sie den an die frohen Freudenlieder /
  Da höret man mit Lust der reinen Stimme schall /
  Das Echo doppelte den süssen Wiederhall.
Nu seht ihr uns nicht mehr / ihr Thäler Berg und Auen /
In solcher Frölichkeit: Laßt euch mitleidig schauen
  Ihr Bäume allzumahl / werfft eure Blätter hin
  Mit Hauffen auff das Grab der werthen Sikelin.
Wir wollen ihren Sarg mit Roßmarin bestecken //
Und ihren zarten Leib mit Blumen gantz bedecken.
  Ihr unbeflecktes Hertz soll werden überstreut
  Mit weissen Lilien / der keuschen Reinligkeit.
Mit Tulpen schöner Art / mit Rosen und Narcissen
Wil ich mein Schwestergen schön zu bezieren wissen.
  Ich winde einen Krantz von lauter Ehrenpreiß /
  Und kröhne sie damit: Das grüne Lorber=Reiß /
Das Edle Daphnes Haar / damit zu allen Zeiten
Die Tugend ward belohnt / des steck ich ihr zur Seiten /
  Viel Nelcken / Spickenard und Isop streu ich hin
  Zu Füssen in das Grab der liebsten Sikelin.
Ich wil sie gantz und gar mit Blumen überführen /
Und ihr Schlaffkämmerliein auffs köstlichste bezieren.
  Doch schmück ich nur den Leib / weil GOtt die Seele schmuckt.
  Die schöne Himmels Braut / die hat sich schon geschickt /
Und ihre Lampe mit dem Glaubensöl bereitet /
Da sie denn so gezieret / die Engel selbst begleitet
  Biß an des Himmels Schloß / und sie dahin gebracht /
  Allwo ihr Bräutigam sich schon bereit gemacht
Mit schöner Lieblichkeit und hertzlichen Verlangen
Sein auserwehltes Kind gantz herrlich zu empfangen /
  Da er sie allbereit in solchen Stand gesetzt /
  Wo sie kein Unfall mehr betrübet und verletzt.
Drum trauret nicht so sehr / ihr nahen Anverwandten /
Ihr liebsten Freunde / ihr Geschwister und Bekandten /
  Stellt euer grosses Leid und bittres Klagen ein /
  Wir wollen nun nicht mehr um Sie betrübet seyn.
Weil wir sie doch damit nicht wiederholen können /
Wir wollen ihr viel mehr die Himmelsfreude gönnen.
  Sie lebet recht vergnügt / Sie weiß von keiner Noth /
  Ihr JEsus tröstet Sie / hat sie uns gleich der Tod
Das zu beklagen ist / zu früh hinweg gerissen /
So geben wir uns doch zu frieden / weil wir wissen /
  Das dessen Nahme auch in Ewigkeit nicht stirbt /
  Wer ihm im Leben so durch Tugend Lob erwirbt.
Sie lebt in Tode noch / denn Tugend kan nicht sterben /
Sie wird nach langer Zeit auff die Nachkommen erben.
  Drum stellt / ihr Liebsten doch / stellt euer Klagen ein /
  Nur dieses noch zuletzt soll ihre Grabschrifft sein:
 
  Hier liegt das Tugendbild / die Jungfer Sikelin /
 
Der Spiegel aller Zucht / die Zierde der Jungfrauen /
In der die Tugend gantz vollkommen war zu schauen /
  Die Seele schwindet sich zu ihrem JESU hin /
  Sie lebt in Herrlichkeit / die Himmels Königin.
Ihr Heyland / der Sie Ihm hat wollen anvertrauen
  Im reinen Wasserbad / durch seinen Geist und Wort /
Und sie ihm selbst zur Braut und Schwester auffgenommen /
  Der hat sie auch der Zahl der Gläubigen und Frommen
  Im Himmel einverleibt. Sie ist nu an den Port
Der Seligkeit gelangt / und an den edlen Ort /
Da wir auch allzumahl gedencken hin zu kommen.