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Anna Louisa
(1722-
 
 Karsch
1791)
 
 
 
An Milon
 
Zanken will ich nicht und klagen,
Aber eins muß ich dir sagen:
Du, der du mein Herz gewannst,
Milon, der du mich bewirthen
Durch ein freundlich Lächeln kannst,
Du verschmähtest jüngst die Myrthen,
Weil du dich nicht drauf besannst,
Daß dein Weigern mich betrübte.
Ach du wustest nicht, daß ich
In die Veilchen mich verliebte,
Welche zum Beneiden sich
Dir ans Herz gelegt befanden,
Tauschen wollt ich gern mit dir,
Und du hast mich nicht verstanden.
Diese Veilchen wären mir
Heiliger noch als die andern,
Die dein Diener mir gebracht;
Und sie sollten mit mir wandern
In des finstern Grabes Nacht.
O wie kannst du das verachten,
Was Dir meine Liebe beut;
Kannst du nicht mein Herz betrachten
Bei der Blumen Kleinigkeit?
Pflücke du mir auf dem Platze,
Wo dein Fuß zu wandeln pflegt,
Blümchen, die der Grasraum trägt,
Und ich mache sie zum Schatze.
Ganseblümchen nähm ich an,
Und ein Zweigchen von den Bäumen,
Die ein jeder nutzen kann;
Wo in lügnerischen Träumen
Sich der arme Kriegesmann
Ausgestreckt am Tische weidet,
Und noch hungert, wenn er wacht,
Und den Reichen noch beneidet,
Der sich Promenaden macht. -
Solch ein Zweigchen, du mein Lieber!
Brich mir im Begegnen ab,
Und ich freue mich darüber,
Weil mirs Milon gab.