Zur Startseite
 
Inhalt      Register
 
 
< voriges Gedicht           nächstes Gedicht >
 
Friederike
(1765-
 
 Brun
1835)
 
 
 
Das Bild der Sehnsucht
 
Süßes Bild, das mir mit leisem Sehnen
Herz und Sinn, und Geist und Auge füllt!
Reine Quelle meiner stillen Thränen,
Nie vergeßnes, immer nahes Bild!
 
Lächelnd schwebst du auf des Abends Golde,
Neugeboren unter'm Morgenhain;
Und mit Wonneglanz füllt deine holde
Gegenwart selbst Trauerphantasei'n!
 
In der Andacht hohem Sternenfluge,
Schwebst du winkend meinem Geiste vor;
Weilst mit mir am ernsten Aschenkruge,
Hebest tröstend mir der Zukunft Flor.
 
Zeigst mir der Vollendung Sonnenauen,
Und die Ruh', der jede Klage schweigt;
Stützest sanft das sinkende Vertrauen;
Flüsterst: »Muth! Bald ist das Ziel erreicht!
 
Wiederfinden heißt des Zieles Krone,
Ungetrennt dann wandeln einen Pfad.
Sieh! Es reift dem himmelsvollen Lohne
Jede stille ungeseh'ne That!«
 
Fern getrennt, und doch für mich geboren?
Dunkles Schicksal, das mein Leben lenkt!
Schnell erkannt, und schneller noch verloren,
Beßres Ich, in das mein Geist sich senkt.
 
Sah' ich dich, und fühlte höh'res Leben
Schöpferisch durch jede Nerve glühn -
Hörte dich, empfand mit tiefem Beben
Feste Bande uns zusammenziehn!
 
Licht und Kraft und reine Seelenwürde,
Stille Freude, heitre Geistesruh',
Muth für jede, auch die schwerste Bürde,
Lächelte mir sanft dein Auge zu.
 
Nie gefühltes inniges Vereinen,
Schmiegte Herz an Herz, und Geist an Geist.
Ach! Um dich, um dich sollt' ich nicht weinen,
Bis des Lebens harter Faden reißt?
 
Ferne! Du vermagst uns nicht zu trennen!
Seelen trennt nicht Berg, nicht Land und Meer,
Ewig werden wir uns wieder kennen:
Banges Herz! Was trauerst du so sehr?