Zur Startseite
 
Inhalt      Register
 
 
< voriges Gedicht           nächstes Gedicht >
 
Hedwig
(1882-
 
 Caspari
1922)
 
 
 
2. Wüstenwanderung
 
Sand, Sand,
Stechender, brennender Sand
Unter unserer Sohle.
Vor unseres Auges weitspannendem Rundblick
Ewiger Sand.
Unfruchtbarer Sand unsere Seele
Dorrt im Brande feindlicher Sonne,
Fliegt auf im Wühlen der Winde,
Verweht
Hierhin und dorthin,
Hat nirgends Heimat.
 
Ist Heimat was war,
Oder das Kommende?
O Heimat unseres Ausganges,
Land des Schlammes und der Fruchtbarkeit,
Nie hat dich gesehen
Unser wissender Blick!
Da der rächende Engel
Abgewandten Gesichtes
Vorbeischritt an unserer Wiege,
Da unserer Mütter Frohlocken verwirrt
Über lebenden Leibern der Kleinen stammelte,
Griffen uns Hände.
Wie Ding und Gerät
Trugen sie fort uns zum brennenden Sand.
 
Traum urfernen Geschehens,
Kunde vom Garten, davor
Der Dunkle mit feurigem Schwert,
Ist uns die Mär von der Wellen
Nie endender Verschwendung,
Von Pflanzen, die ihre Wurzeln tief
Aus ruhendem Leben der Erde saugen.
Wir wurzeln in keiner Erde.
Unstet sind wir,
Treibsand der Wüste.
 
Wir treiben, wir treiben
Von endloser Ebene zur wehenden Düne,
Vom Ewigen zum goldenen Baal
Und zurück zum Glauben unsrer Verheißung.
Land der Verheißung,
Wirst du die Heimat unsres Sterbens sein?
Oder die Heimat des Lebens derer,
Die wir gezeugt in der Wüste?
Schon neigt sich unsre Kraft dem Abend zu.
 
Wir sind der Augenblick,
Hingeworfen
Zwischen zwei Atemzüge der Ewigkeit.
Uns gehört keine Zeit.
Unsre Verheißung verweht
Im Sande der Wüste.