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Clara
(1861-
 
 Müller
1905)
 
 
 
[Die Erde deckt dich zu, ich weiß nicht wo]
 
Die Erde deckt dich zu, ich weiß nicht wo ...
Auf deinem Grabe blühen keine Blumen,
kein Vogel singt ein Wiegenlied für dich;
und dennoch schlummerst du so tief und süß,
so tief und süß, wie selbst in Mutterhut
kein Kindesauge sich zum nächtigen Frieden schließt.
 
Ein kurzer Frühling war's, ein Lenz von Tagen,
den du gelebt. - Doch war's ein goldener Lenz,
und blauer Himmel lachte über dir,
und lichter Sonnenschein umspann dein Lager.
In deiner Augen sammetbraunen Kelch
fiel keiner Wolke Schatten, süße Knospe -
in deiner Wurzel aber saß der Wurm;
und als der Sturmwind kam, verwehtest du,
mein Sonnentraum ...
 
Seit jenen schmerzenreichen Frühlingstagen
lieb' ich den Lenz, wie ich ihn nie geliebt,
und seine Knospen lieb' ich schmerzlich heiß
und pflückt sie gerne, eh' der Sturm sie bricht,
und sonnenklare Kinderaugen lieb' ich
und küsse gern aus ihrem Sammetkelch
die Tränen fort ... und leg' die Blütenpracht
des Frühlings gern in weiche Kinderhände ...
 
Die Erde deckt dich zu, ich weiß nicht wo,
zu deinem Grab ist mir die Spur verloren.
Doch aus der Veilchen frühem Duft umhaucht
dein Wesen mich, - aus jedem Kindesauge
blickst du mich an - und lächelst
dein Sonnenlächeln mir ins wunde Herz ...