Zur Startseite
 
Inhalt      Register
 
 
< voriges Gedicht           nächstes Gedicht >
 
Hedwig
(1871-
 
 Dransfeld
1925)
 
 
 
In der Fabrik
 
Mit Rad und Riemen, Schaft und Schraube droht
Polypengleich das schwarze Ungeheuer
Und wirft die Schlacken aus wie flüssig Feuer
Und taucht den Mittag in ein falbes Rot.
 
Ein Wutgeheul! Der Riesenkörper bebt ...
Ein hundertarmig Ineinandergreifen,
Ein tückisch Vorwärtsschießen, Rückwärtsschleifen,
Von einer einz'gen großen Kraft belebt!
 
Und um den Herrn der Knechte dunkle Schar
In Ruß und Rauch ... die Riesenhämmer klingen,
Die Funken tanzen, und die Räder singen
Das große Lied der Arbeit und Gefahr.
 
Im Schlund der Esse loht es purpurbraun ...
Und wo die Räder hart und stählern blitzen,
Seh' ich ein Weib mit heißen Augen sitzen
Und fest und saugend mir ins Antlitz schaun.
 
Der nackte Arm wie ein verdorrtes Scheit,
Finster die Stirn und rauchgeschwärzt die Wange ...
Sie neigt sich mir, - sie spricht mit wildem Klange:
»Ich bin die graue Not, ich bin das Leid.
 
Herrin des Weltalls ich - wie keine war!
Sahst du schon je so eifrig die Vasallen
Durch Glut und Rauch für ihre Herrin wallen,
Unsichtbar, stets den Opferkranz im Haar?
 
Ja, ich bin stark, und mein das größte Reich!
Mein Hauch bewegt die tosenden Maschinen,
Mein Blick allein heißt tausend Arme dienen
Und macht die kecksten Männerstirnen bleich.«
 
Sie springt empor, sie bebt - ihr Auge lacht ...
Die Achsen kreischen, und die Hebel krümmen
Sich von der Last, die roten Essen glimmen,
Durch Rad und Riemen tobt die wilde Jagd.
 
Die Menschen keuchen: »Arbeit nur und Brot!«
Und durch das Wutgeheul, Schleifen und Krachen
Hör' ich ein leises, sieggewohntes Lachen:
»Herrin des Weltalls ich - die graue Not!«