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Annette von
(1797-
 
 Droste-Hülshoff
1848)
 
 
 
Am ersten Sonntage im Advent
 
 
Einritt Jesu in Jerusalem. Matth. 21. »Saget der Tochter Sions: Siehe, dein König kommt zu dir sanftmütig. - Hosanna dem Sohne Davids, gelobt sei, der da kömmt im Namen des Herrn!«
 
 
 
Du bist so mild,
So reich an Duldung, edler Held,
Und mußt so wilde Scharen haben!
Dein heilig Bild
Ragt als Panier im Schlachtenfeld,
Und deine Zeichen will man graben
In Speer und funkensprüh'nden Schild.
 
Mit Stolz und Hohn
Gewaffnet hat Parteienwut,
Was deinen sanften Namen träget,
Und klirrend schon
Hat in des frömmsten Lammes Blut
Den Fehdehandschuh man geleget,
Den Zepter auf die Dornenkron.
 
So bleibt es wahr,
Was wandelt durch des Volkes Mund:
Daß, wo man deinen Tempel schauet
So mild und klar,
Dicht neben den geweihten Grund
Der Teufel seine Zelle bauet,
Sich wärmt die Schlange am Altar.
 
Wenn Stirn an Stirn
Sich drängen mit verwirrtem Schrei
Die Kämpfer um geweihte Sache,
Wenn in dem Hirn
Mehr schwindelt von der Welt Gebäu,
Von Siegesjubel, Ehr' und Rache
Mehr zähe Spinngewebe schwirr'n,
 
Als stark und rein
Der Treue Nothemd weben sich
Sollt', von des Herzens Schlag gerötet:
Wer denkt der Pein
Durchzuckend wie mit Messern dich,
Als für die Kreuz'ger du gebetet!
O Herr, sind dies die Diener dein?
 
Wie liegt der Fluch
Doch über alle, deren Hand
Noch rührt die Sündenmutter Erde!
Ist's nicht genug,
Daß sich der Flüchtling wärmt am Brand
Der Hütte? Muß auf deinem Herde
Die Flamme schür'n unsel'ger Trug?
 
Wer um ein Gut
Der Welt die Mühe sich verdarb,
Den muß der finstre Geist umfahren;
Doch was dein Blut,
Dein heilig Dulden uns erwarb,
Das sollten kniend wir bewahren
Mit starkem, aber reinem Mut.
 
Allmächt'ger du,
In dieser Zeit, wo dringend not,
Daß rein dein Heiligtum sich zeige,
O laß nicht zu,
Daß Lästerung, die lauernd droht,
Verschütten darf des Hefens Neige
Und ach den klaren Trank dazu!
 
Laß alle Treu
Und allen standhaft echten Mut
Aufflammen immer licht und lichter!
Kein Opfer sei
Zu groß für ein unschätzbar Gut,
Und deine Scharen mögen dichter
Und dichter treten Reih' an Reih'.
 
Doch ihr Gewand
Sei weiß, und auf der Stirne wert
Soll keine Falte düster ragen;
In ihrer Hand,
Und faßt die Linke auch das Schwert,
Die Rechte soll den Ölzweig tragen,
Und aufwärts sei der Blick gewandt.
 
So wirst du früh
Und spät, so wirst du einst und heut
Als deine Streiter sie erkennen:
Voll Schweiß und Müh',
Demütig, standhaft, friedbereit,
So wirst du deine Scharen nennen
Und Segen strömen über sie.