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Elisabeth
(1808-
 
 Kulmann
1825)
 
 
 
Die Grotte
 
Mit schaueriger Wonne
Befahr' im leichten Kahne
Ich die helldunkle Grotte
Unabsehbarer Tiefe,
Die die Natur euch, Helden
Der grauen Vorzeit, prachtvoll
Hier aufgebaut aus zahllos,
Statt Mauern, aneinander
Gedrängten Säulenreihen,
Um ungestört im Kreise
Der Freunde auszuruhen
Vom wilden Sturm der Schlachten.
Nach tausend Jahren steten
Bestrebens, dich, o Grotte,
Entweder unversehret
Im Schooße seiner Wogen
Auf einmal zu begraben;
Oder, allmählig deine
Zahllose Säulenmenge
Zertrümmernd, endlich einmal
Vom Antlitz dieser Insel
Dich spurlos zu verwischen,
Was hat das Meer gewonnen
Mit allem seinem Wüthen?
Nichts, als daß es die Säulen,
Die deinen Eingang zierten,
Mit Müh' und nur zur Hälfte
Zerbrach, und dieser Grotte
Einst glänzend Estrich etwa
Zwei Fuß hoch jetzt bedecket
Beim höchsten Stand der Wogen.
 
Warum lebt' ich nicht damals,
Als Ossian im Kreise
Der horchenden Gefährten
Hier zu der goldnen Harfe
Die Heldenthaten Fingal's
Und Swaran's sang, dem Freunde
Und Feinde Lob ertheilend
Mit unparthei'scher Seele!
Singst du von Fillan's, Oskar's
Zu frühem Tod, der Söhne
Beraubter Vater! Thränen
Erfüllen mir das Auge:
Denn ich gedenk' der Brüder,
Die in entfernter, fremder,
Nicht heimathlicher Erde
Vom Kampfe für die Heimath
Nun ruhn, wo weder Mutter
Noch Schwestern ihre Gräber
Besuchen, und mit Blumen,
Von Thränen naß, bei Rückkehr
Des Lenzes, zieren können!
 
 
 

Anmerkung des Herausgebers K. F. von Großheinrich:
 
1) Ein anderes von den Gedichten, die Göthe und Jean Paul vorzüglich gefielen.
 
2) Ihre ältesten zwei Brüder fielen in der Türkei, vor Rutschuk.