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Karoline
(1754-
 
 Rudolphi
1811)
 
 
 
Der Beruf geliebt zu werden und das Arcanum
 
An Julie Gr. z. M. M.
statt des versprochenen Myrtenkranzes.
 
Noch sah ichs nimmer, und - fürwahr! fürwahr!
Ich hoff' es nie, ich wünsch' es nie zu schaun,
Das Wesen, das ein Menschenantlitz trägt,
Und das nach Freundschaft nimmer dürstete,
Und das mit diesem Menschenantlitz nie
Umher nach dem verwandten Wesen sah,
Und, war's entdeckt, es nicht ans Herz gedrückt.
 
Fürwahr! fürwahr! noch hab' ichs nicht geschaut,
Das Mädchen, noch die Jungfrau, noch das Weib,
Die sich im stillen Herzen nimmermehr
Geachtet und geliebt zu seyn gesehnt.
 
Das ist kein Weib (es lieh nur Weibesform)
Dem nicht sein Herz in reiner Freude wallt,
Dem nicht sein Aug' in süßer Wonne schwimmt,
Wenn ihm ein demuthsvoll Bewußtseyn sagt:
Dir ward's verliehn, des Lebens Plagen sanft
Zu mildern, Freudenschöpferin zu seyn,
Und allem, was in Deine Sphäre tritt,
Den Geist des Friedens, der in Dir sich regt,
Still anzuhauchen. -
 
                            Ja, es wallt, es wallt.
Es wirkt, es strebt in unser aller Brust
Ein süß Verlangen, Liebe werth zu seyn;
In alles was da lebt und was da fühlt
Des Wohlgefallens Fünkchen auszusä'n.
 
O daß der Himmelshauch in uns nur nie
Vom Unverstand mißleitet, noch entweiht
Vom Feind der Grazien, uns Gifthauch wär'!
 
O wärst du lautrer Born doch nie getrübt! -
Ja, so gebot das ewige Gesetz
Dem schwächern Weibe - das dem Tiger nicht,
Und nicht dem schnellen Räuber in der Luft,
Dem scharf Bewaffneten zu widerstehn,
Und sie zu zähmen nimmermehr vermag,
Das bang und scheu vor einem leichten Reh,
Vor leisem Blätterrauschen, bang
Vor dem Gebilde eigner Phantasie,
Vor einem Lüftchen, einem Nichts erbebt -
Dem Stärkeren, der Löw und Pardel zähmt,
Und Elephant und Hippopotamus
Am Gängelbande des Gehorsams führt,
Die tiefgefurchte, sorgumwölkte Stirn
Mit sonnenwarmer heller Freundlichkeit
Zu überstrahlen, und am Blumenband
Zu lenken ihn, wohin es ihm gefällt. -
 
Und will es dann das heilige Gesetz,
Daß Schwachheit Muth und Stärke zähme? wills
Daß Mild' allein des Herrschers Herrscherin,
Daß Lieblichkeit der Kühnheit Sieger sey? -
Wohlan! so forschen unablässig wir
Dem nimmerfehlenden Arcanum nach,
Das uns die süße Kunst, geliebt zu seyn,
Einfältiglich in aller Wahrheit lehrt. -
 
Bist du's, o Zaubrerin! die du vom Himmel dich
In unsre dunkeln Thäler lieblich senkst,
Und deinen Glanz in unsre Wüsten strahlst?
Bist du es, Ebenmaß und Harmonie
Der äußern Hülle unsern innern Ichs?
Bist du's, o Lenz! mit deinem Rosenglanz
Um Wang' und Mund? mit deinem Sternenlicht
Der Augen? deinem Zauberlächeln? du
Mit seidenweichem schönem Lockenhaar?
Du bist es nicht; denn ach! des Lebens Lenz
Währt einen kurzen schnellen Augenblick -
Und - Harmonie der Hülle, wenn sie lügt,
Und wenn der innre Gast nicht treulich hält
Was sie so rührend und so süß verheißt,
Mahnt nur an das, was man mit Schmerz vermißt. -
 
So bist du's denn, mit hoch umsonntem Haupt,
Du heilige lichtwandelnde Vernunft? -
 
Nicht sie allein, so hell sie immer strahlt.
Ihr beugt, wer sie als Jovis Tochter kennt,
In Ehrfurcht gern und froh die frommen Knie;
Doch von der Ehrfurcht bis zur Innigkeit,
Zum süßen Hang des Herzens - welche Kluft!
 
Bist du's vielleicht, du funkensprühender,
Der schnell mit Zauberschlag elektrisiert?
Der selbst den finstern Hypochonder zähmt,
Daß er an seine Kette traulich faßt,
Und Schlag auf Schlag mit Lachen bald empfängt,
Und sich am Feuerregen herzlich labt?
Bist du's, o Witz, der oft die Finsterniß
Des schwarzen Unmuths wundersam zerstreut?
 
Ich bin es nicht; denn sieh! mein Feuer sengt,
Und, fühlst du dich nicht unverletzlich gar,
So rühr, o rühre meinen Pfeil nicht an!
Nur Starke stärkt mein rascher Zauberschlag,
Die Schwachen lähmet und verletzet er;
Und o! er schafft nur Lust des Augenblicks! -
 
Und bist du's denn, o Schönheit nicht? noch du
Vernunft? nicht du o raschbeschwingter Witz?
So sagt mir, sagt mir an, wo finden wir's? -
 
Wir tragen's all' in unsrer Brust umher;
Nur wer's in sich verkennet, wer's verschmäht,
Das götterwerthe, himmlische Geschenk,
Wodurch sie unsern irdischen Beruf
Urkunden, das sie lächelnd uns vertraut,
Nur wer's nicht braucht, entäußert seine Kraft -
Es heißt, es heißt - o welcher Nahme nennt's?
 
Wär' Liebe nicht entweiht, und nennten nicht
Entheiliger den kurzen Sinnenrausch
Auch Liebe - Liebe grüßte dich mein Lied.
 
Ja ja, du bist's, du Reine, Innige,
Die, mit der holden Unschuld dicht verwebt,
Tief in des Weibes Seele wallt und wohnt;
Du Schonende, die, nur sich selber streng,
Mit Himmelsmilde fremde Schwächen trägt;
Die allem, was da lebt, von innen hold,
Die allem, was der süßen Lebenslust
Empfänglich, ihren Zauberkreis berührt,
Den Lebenstag verherrlicht und verschönt,
Doch einem Einen nur ihr holdes Selbst
Mit allen Schätzen der Empfindung schenkt,
Mit diesem Einen Weh und Wonne theilt,
Und diesem Einen seinen Lebensborn
Mit immer neuem süßem Zauber füllt,
Sich selbst an ihn verlieret und vergißt,
Von seinem Freudenbecher nur genießt,
Und Lebenslust aus seinem Blick allein,
Aus seinen Mienen, seinem Handdruck schöpft -
 
Und ist nun dieser echte Weibessinn
Die hohe stille Seelengrazie,
In feine, liebliche Gestalt gehüllt,
Und lächelt sie aus sternenhellem Blick
Von morgenrothen Wangen, schimmert sie
Aus zarten Lilien verschämt hervor,
Und wallet sie mit der Lichtwandelnden
In trautem fröhlichem Verein daher,
Und rührt des Witzes Wehr und Waffe nur
Mit leisem Finger, sendet Scherz auf Scherz,
(Der Unschuld Kinder alle) Bienen gleich,
Zum Honig tragen freundlich lächelnd aus,
Dann widerstehet ihr kein Menschenherz;
Ihr huldigt freudig jegliches Gefühl.
 
Sieh Julie! des echten Weibes Bild:
Gönn' ihm in deines Herzens Kabinet
Ein freundlich Plätzchen; denn wer nimmt nicht gern
Die nächsten seiner Anverwandten auf?