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Karoline
(1754-
 
 Rudolphi
1811)
 
 
 
Die Bienen
 
Was werd ich dir, geliebte Mädchenschaar,
Im Lindendufte heut verkünden? was?
 
Gedanken schweben gleich dem Bienenheer,
Das emsiglich am duft'gen Wipfel hängt,
Aus hohen Blüthenästen mir herab.
 
Es senkt sich der Betrachtung stiller Blick
In deiner Schönheit Tiefen, o Natur!
In deinen Blüthenreitz vergebens nie;
Er kehrt beladen mit dem reichsten Schatz
Der seligsten Genüsse froh zurück,
Und trägt den Vorrath in die Zellen ein;
Deß labt am öden Winterabend sich
Am kleinen Herde traulich Wirth und Gast.
 
O Heilige! die du mit reicher Hand
Uns aus der Schönheit süßem lautern Born,
Aus immer voller Urne spendend tränkst,
Natur, Natur! die unerschöpflicher,
Als selbst die kühnste Feuerphantasie
In ihrem höchsten Flug zu träumen wagt,
Uns mit der Schönheit Fülle überströmt;
Die weit im ungemeßnen blauen Raum
Ein Heer zahlloser Sonnen hingesät,
An dem des kühnen Forschers trunkner Blick
Mit heil'gem, tiefem Staunen schweigend hängt.
Sich selbst im Lichtesocean verliert, -
Und sich beschämt zur Erde wieder senkt; -
Da labst du ihn aus kühlerm Becher, da,
Da zeigest du, der Schönheit Urquell, dich,
Da findet er im Schattenhaine dich,
Im Veilchen wieder, im Vergißmeinnicht,
Im Mayenglöckchen, in der Reseda,
Er findet dich so tief er immer dringt;
Und nimmer sah er noch den letzten Strich
Von deinem Pinsel, nimmer späht' er noch
Des Meisels äußerste Vollendung je;
Entdeckt noch unerforschte Tiefen stets;
Sieht in der Blüthe, die den Honig trägt,
Und in dem Bienchen, das ihn emsig saugt,
Die Meisterhand, die Blüth' und Biene formt. -
 
Du sendest uns der Weste leichte Schaar,
Die ihren Fittig in den Balsamduft
Von Millionen Blüth' und Blumen taucht,
Und deinen trauten Liebling labend kühlt,
Du reichst ihm reifend dar die Purpurfrucht,
Dann krönest du dein reiches Freudenmahl
Durch ein Konzert aus tausend Kehlen noch;
Da fragt ein Sinn den andern staunend, sagt:
Bin ich an ihrem vollen Tische nicht
Der hoch begünstigte, geliebte Gast?
 
Sie all' erfreuend, lächelst Milde! du
Auf alle nieder - blickst voll Mutterlust,
Die Myriaden deiner Kinder an,
Die rund um deinen Tisch gelagert, all'
Aus des Genusses Strome froh getränkt,
Verkünden deines Reichthums Herrlichkeit. -
 
Komm rasch beflügelt, emsig Völklein, komm,
Und lehre von der Linde Wipfel mich,
Mich und den trauten Mädchenkreis umher
Aus allen Erdenblüthen Honig ziehn,
An ihrer Schönheit liebend hängen; still
Genießend ihre Füll' uns eignen; früh
Den dargebotnen Vorrath sammeln. Sey,
Du reges Völklein, Beyspiel uns, daß nur
Vereinte Kraft, nur treu vereinter Sinn,
In allem, allem Thun Vollendung schafft,
Und daß, beseelt von Einem Geiste nur,
Des Staates und des Hüttchens Wohl gedeiht;
Daß Eintracht, holde Eintracht, sie allein
Des Lebens Müh'n zum leichten Spiele macht,
Und uns Genuß und Arbeit freundlich würzt.
 
Jetzt hört ein Mährchen aus uralter Zeit,
Woran des Bienenvolkes Eintracht mahnt -
Es haderten des Leibes Glieder einst.
(Abwesend war des Hauses Herr, der Geist)
Ist's billig, sprach der Mund zum Magen, daß
Wir alle, Fauler, emsig uns für dich
Und deine Nahrung stündlich sorgend müh'n?
Ist's billig, daß des Angesichtes Schweiß
Um deinetwillen, du Genießer! träuft?
In sel'ger Mitte ruhst du wirkungslos -
Indeß die Füße rastlos wallen, dir
Die Hände willig reichen, was dir frommt,
Die Müllerin zu mahlen nie vergißt,
So bald du heischest - sprich, wer wehrt es uns
Die treuen Dienste dir zu künden? Rasch
Vereinen scheltend zur Uneinigkeit
Die Thoren sich. - Es stehn die Füße still,
Die Hände ruhn hartnäckig in dem Schooß,
Und seht, die Müllerin hält standhaft ein.
»Nun magst du lernen was du ohn' uns seyst!«
 
Der Angeklagte leidet still und harrt
Auf den Moment, wo aller Glieder Noth
Sein Recht im hellen Sonnenlichte zeigt. -
Er, der nicht mehr, wie ehedem, empfängt,
Kann fürder nicht bereiten, geben nicht. -
Sie alle darben, schmachten, welken hin. -
 
Des Hauses Herr erscheint zu rechter Zeit.
O Thoren! wißt es, nur aus dem Verein
Fließt euer Leben; wisset: wer nicht giebt,
Soll nicht empfahn. - In Tausch und Wechsel liegt
Des Reichthums Segen, liegt der Kräfte Kraft.
Sie schämten sich - vereinten sich aufs neu',
Und wirken noch in trauter Einigkeit.