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Karoline
(1754-
 
 Rudolphi
1811)
 
 
 
Die Alsterfahrt
 
Kommt, ihr Geliebten! eilig, steigt hinab,
Getrost hinab zur spiegelglatten Flut;
Vertraut euch ihr; denn Unschuld fürchtet nicht. -
 
Das Schifflein wartet schön bewimpelt schon;
Von rother Flagge strahlt Hammonia.
Schon harret unser winkend der Pilot,
Ans Steuer still erwartungsvoll gelehnt,
Mit seinem Elemente so vertraut,
Als ihr es mit beblümtem Rasen seyd.
(Mit welcher Mühe, welcher Fährlichkeit
Macht freundliche Gewohnheit nicht vertraut?)
So setzet ordnend, holde Mädchen, euch;
An ihrer Freundin Seite jegliche:
Mir alle nahe; durch das ungesehne Band
Mir alle gleichverknüpfte Lieben, kommt!
Es schiffe sich die süße Harmonie,
Des wahren Lebens Seele, mit uns ein. -
Kein Wölkchen deckt den schönen Himmel heut,
Kein Wölkchen trübe unser Angesicht. -
 
Da treibt es hin, auf dunkelblauer Flut -
Sanft wiegend schwebst du kleines Wasserzelt,
Kaum sieht man deines Schwebens leichte Spur,
Die schnell der Hauch des Augenblicks verwischt,
Und wiegst der frohen Jungfrau'n achtzehn doch
Auf deinem Schooße, unter deinem Dach,
Und trägst der Ceres und Pomona Tisch
Mit allem, was sie mildiglich beschert,
Das süße, lockere, milchweiße Brot,
Die Purpuräpfel die geliebte Frucht
Hesperiens, und goldner Birnen viel,
Sammt Pekings sanftem warmen Labetrank,
Zusammt Prometheus heiligem Geschenk,
Das uns die Freundschaft sorglich hergesandt -
Bewacht's Geliebte! daß es nicht erlischt -
Einst wahrten Roma's Jungfrau'n am Altar
Des heil'gen Feuers fromm und züchtiglich.
(Gedenkt der Jungfrau'n und des heil'gen Herds
Im stillen Herzen.) Du mein kleines Lied
Gehörest heut der sanften Wellenfahrt,
Gehörest heut dem wirthlichen Gezelt
Das uns in seinem Schooße eng vereint,
Und doch für alle Freudengötter Raum
Und Raum für süßen Scherz und Muthwill hält. -
 
Da schwimmt es hin, das kleine traute Haus!
Und sieh! o sieh! welch stattliches Geleit!
O schau die silberweiße, reine Schaar
Der Schwäne! Schau, sie rudert her,
Und lagert friedlich sich um uns herum,
Und schiffet still geleitend mit uns fort,
Als ob, o Jungfrau'n! unser Genius,
In das Gewand der Unschuld schön gehüllt,
Der Leitende, uns sichtbarlich erschien',
Und jeglicher vertraut zur Seite wär'. -
 
Ihr jubelt laut vor Überwonne - gebt
Dem reinen Strom der Lust euch sorglos hin?
 
O könnt' ich auf des Lebens Ocean
Die Fahrt euch sichern! könntet, könntet ihr
In Freud' und Eintracht, Harmonie und Lust,
Umschwebt von Unschuld, in den Port entfliehn!
Doch keine Macht, die Macht der Liebe selbst
Vermag es nicht auf hoher Lebensflut
Den Sturm zu zähmen, nicht der Woge Macht, -
Sie thürmen sich, die Wogen, und es wehn
Orkan' aus heimlicher Behausung her,
(Wer kennt der Leidenschaft geheimen Quell?
Und wer erspäht des Übels Ursprung je?)
Und schwellen unsers Schiffleins Segel an,
Und treiben es auf wilder Flut umher.
 
O wohl dem Steurer, der im Sturm sich wach,
Besonnen und mit Muth gerüstet hält!
Wohl ihm! er überschifft die wilde Flut,
Schaut muthig nach dem fernen Pharus hin,
Erblickt ihn, weicht den Klippen klüglich aus
Und landet endlich in dem sichern Port.
 
Heut schiffen wir so selig und so froh
Sanft schwinden uns die Ufer, Baum für Baum,
Und Bild auf Bild entschlüpft, eh' man's gefaßt,
Mit Blitzeseil' dem süß getäuschten Blick. -
So schwindet uns des Lebens buntes Spiel.
So gleiten seine Bilder vor uns hin.
Ihr wahrt ihn nicht, der Gegenwart Moment,
Wenn ihn Erinnrung nicht im Fliehen hascht,
Und ihm die Flügel unversehens band.
Und - was, von ihr zurück gezaubert, nicht
Noch süß und lauter unserm Herzen ist,
Woran sie nicht in Unschuld liebend weilt,
Worin der Stachel heimlich lauernd schläft,
Der dem Unlautern weislich eingesenkt,
War nicht der Sehnsucht, nicht der Hoffnung werth -
 
Jetzt nehmt der Ceres heil'ge Gabe hin,
Und schenkt uns ein des labenden Getränks,
O wie die heiße Flut so lieblich singt!
Mischt sie mit reiner, kühler, süßer Milch,
Und schmelzt darin des Rohrs verdicktes Mark
Das uns von fernem, fernem Eyland kommt;
Und - die von uns das ferne Eyland je
Im heißen Süden einst bereist, o die
Verkündige der Menschlichkeit Gebot,
Der Gottheit Bild ins Menschen jeder Farb'
Anzuerkennen; ach! und nicht das Mark
Der schwarzen Brüder gleich des Rohres Mark
Fühllos zu pressen, nicht der Sklaverey,
Nicht thierischer Entartung grausam sie
Zu ew'gen Opfern kalt und stolz zu weihn. -
 
Doch, wo, Theano! wo hinaus hat dich
Die allzu rasche Muse schlau entführt?
Hast du nicht unbemerkter Tugend dich,
Hast du nicht längst bescheidner Häuslichkeit,
(Der unerkannten Gottheit Priesterin)
Dich und der holden Jungfrau'n Schaar gelobt!
 
Dem Manne nur geziemt es, auszuziehn
Nach fernem Land, Menschheit zu predigen. -
 
Wir bleiben unter heimischem Zenith,
Im kühlern Norden, wo ein sanft'res Blut
Der Menschlichkeit Gebot uns lieben heißt:
In uns gekehrt, verkünden weiblich wir
Dem engen Kreis des Hauses den Genuß,
Die Seligkeit, die reiner Lieb' entströmt,
Aus ungepriesner Tugend lohnend quillt,
Die stiller Thätigkeit so frisch entkeimt.
Dieß ist der Dienst, dieß ist das Priesterthum,
Das in der Grazien Gebiet allein
Der reinen Weiblichkeit nur ziemt und frommt.
 
Halt nun, o Steuermann! wir landen jetzt;
Empfange deinen wohl erworbnen Lohn,
Und obendrein ein freundlich: Habe Dank!
Fahr wohl, du Schifflein, das uns so vertraut
Auf blauer Wellen sanftem Schooß gewiegt. -
Wir wallen froh der Hütte wieder zu
Und nehmen der Erinnrung Wonne mit
Von tadelloser, rein genoßner Lust,
In der keines Stachel heimlich lauernd schläft.