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Karoline
(1754-
 
 Rudolphi
1811)
 
 
 
Der Forscher nach Wahrheit
 
Wer führt mich in der Finsterniß?
Wie Grab umgiebt mich ihre Hülle.
Ich forsch' und forsch' in öder Stille:
Wer macht mir meinen Tritt gewiß?
 
Hier schimmert's hell, dort flammt ein Licht;
Da windet sich ein Pfad durch Krümmen;
Dort winkt es her, hier tönen Stimmen:
»Komm, Wandrer, komm! verirre nicht!
 
Hier ist der einzig wahre Weg!«
So winkts, so schallts von allen Seiten.
»Wer einen andern wählt, muß gleiten?
Hier ist der einzig rechte Steg!«
 
O weh dem armen Waller! weh!
Von so viel einzig rechten Stegen,
Von so viel einzig wahren Wegen,
Welch ist der wahre Einzige?
 
Wir, Irrthumserben allzumahl,
Wir staubverhüllten Himmelskinder,
Sind - Wahrheitssucher wohl; - auch Finder? -
Wir wallen durch ein dunkles Thal.
 
Doch jedem ward ein innres Licht:
Wohl dem, der's heilig hält, der's ehret;
Mit neuem Brennstoff täglich nähret,
Deß Lämpchen nie des Öhls gebricht!
 
Wohin ihn, der von Herzen sucht,
Dieß eigne Lämpchen ruhig leitet,
Da ist der Wahrheit Zelt bereitet,
Da hascht er sie auf ihrer Flucht.