Zur Startseite
 
Inhalt      Register
 
 
< voriges Gedicht           nächstes Gedicht >
 
Louise
(1777-
 
 Brachmann
1822)
 
 
 
Terzinen
 
Was willst du doch mit fruchtlos heft'gen Tränen
  Bei andern, wenn gekränkt das Herz dir schlägt?
  Der Muse klag es! Heb zu ihr dein Sehnen!
Sie ist's, die ewig dich im Herzen trägt.
  Wenn jene staunend nur in's Aug dir sehen,
  Selbst nicht verstehn, was dich so tief bewegt,
Weil nie sie ganz dein tiefes Herz verstehen
  Und bald es lästig fühlen, Trost zu weihn,
  Führt diese liebend dich zu ihren Höhen,
Zu ihrem lichten, glanzumstrählten Hain.
  »Mein armes Kind«, so sagt sie, »hat das Leben
  Dich hart verletzt? Ich will dir Trost verleihn!
Hab ich dir nicht den weichen Sinn gegeben?
  Der Seele tiefes, glühendes Gefühl,
  Daß leicht verletzt die zarten Saiten beben
Wie an dem gottverliehnen Saitenspiel?
  Tief trinkt und ganz den Schmerzenkelch der Leiden,
  Wem der Empfindung Kraft vom Himmel fiel;
Doch auch empfänglich für des Himmels Freuden
  Macht diese Kraft, die schmerzlich leicht erbebt;
  Am Licht des Äthers darf der Blick sich weiden,
Wenn wieder stark der edle Geist sich hebt.
  In holder Kindlichkeit auf Lenzeshügeln
  Bleibt, wen des Liedes Jugendkraft belebt!
Am Quell, in dem sich Himmelsbilder spiegeln,
  Dort spiel! - Und winkt' auch einst des Grabes Flor,
  Kind des Gesangs! Noch auf Begeistrungsflügeln,
Schwingst du dich dann zum ew'gen Licht empor!«