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Annette von
(1797-
 
 Droste-Hülshoff
1848)
 
 
 
Bajazeth
 
Der Löwe und der Leopard,
Die singen Wettgesänge,
Glutsäulen heben Wettlauf an,
Und der Samum ihr Herold.
O Sonne, birg die Strahlen!
 
Was schleicht dort durch den gelben Sand,
Ist es ein wunder Schakal?
Ist es ein großer Vogel wohl,
Ein schwergetroffner Ibis?
O Sonne, birg die Strahlen!
 
Ein wunder Schakal ist es nicht,
Kein schwergetroffner Vogel,
Es ist der mächt'ge Bajazeth,
Der Reichste in Kairo,
Er, der die dreizehn Segel hat,
Die reichbeladnen Schiffe,
Auf seiner Achsel liegt der Schlauch,
Der Stab in seiner Rechten.
O Sonne, birg die Strahlen!
 
»Weh dir, du unglücksel'ges Gold,
Verräterisches Silber!
Und weh dir, Hassan, falscher Freund,
Du ungetreuer Diener!
Nahmst in der Nacht die Zelte mir
Und nahmst mir die Kamele.«
O Sonne, birg die Strahlen!
 
»Wie einen Leichnam ließest mich,
Wie Mumien, verdorrte,
Wie ein verschmachtetes Kamel,
Wie ein Getier der Wüste!
Und gab dir doch das reiche Gut,
Die zwanzigtausend Kori.«
O Sonne, birg die Strahlen!
 
»So fluch' ich denn zu sieben Mal,
Und tausendmal verfluch' ich:
Daß dich verschlingen mag das Meer,
Dein brennend Haus dich töten!
Daß breche dein Gebein der Leu,
Dein Blut der Tiger lecke,
Der Beduine plündre dich,
Preis gebe dich der Wüste,
Daß in dem Sande du versiechst,
Verschmachtend, hülflos, irrend!«
O Sonne, birg die Strahlen!