|
Zur Startseite |
Inhalt Register |
< voriges Gedicht nächstes Gedicht > |
Elisabeth (1808- |
Kulmann
1825) |
|
Die Nacht Es spannen unsichtbare Erbauer ein azurnes, Unendliches Gezelte Von einem Himmelsrande Zum andern aus. Es pranget Die Decke des Gezeltes Mit vielen wundersamen Hellstrahlenden Gestalten. Hier tönet eine Leier Mit goldnen Zaubersaiten, Dort regt ein Schwan melodisch Die diamantnen Schwingen; Hier zischt ein Pfeil, dort drohet Ein riesenförm'ger Löwe; Hier stürmt ein mächt'ger Adler, Dort spielt ein sorgenloser Delphin, und schaut zuweilen Nach einem Flügelpferde, Das, von dem weiten Wege Erschöpft, im Perlenstaube Der Himmelsflur sich wälzet. Ein Engel Gottes schwebet Umher, und hält auf Ordnung. Es drängen sich die Federn Der majestät'schen Flügel, Stets sich erneuernd, eine Die andere. Mitleidig Läßt manche er auf Erden, In der Gestalt von Schuppen, Herniederfallen. Irrig Hält sie der Mensch für eine Unsel'ge Vorbedeutung. Im Gegentheile bringen Sie Wohlfahrt und Gedeihen Dem Orte, wo sie fallen: Es kann uns ja vom Himmel Nur Glück und Segen kommen. |
|
Anmerkung des Herausgebers K. F. von Großheinrich: Schon damals besaß Elisabeth Kulmann eine Menge Kenntnisse, die man bei jungen Leuten, deren Alter das ihrige um die Hälfte übersteigt, nur äußerst selten, und vielleicht nie mit derselben Bestimmtheit und Vollkommenheit antrifft. Demungeachtet bemerkte man nie an ihr eine Neigung, den Umfang ihrer Kenntnisse zu zeigen. »Aber warum soll man, sagte mein seliger Freund de Rossi, seine Nase nicht zeigen, wenn man eine hat, und gerade von Nasen die Rede ist?« Bei Beschreibung einer schönen Nacht läßt es sich nicht wohl vermeiden, der Sterne zu erwähnen, die, in Abwesenheit des Mondes, gewiß ihr herrlichster Schmuck sind. Auch hat sie es gethan, und, wie wir hoffen, auf eine selbst Kennern der Kunst genügende Weise. |
|