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Elisabeth
(1808-
 
 Kulmann
1825)
 
 
 
Der Sommer
 
O anmuthsvolle Tage,
Wo, Sonne, du im Norden
Uns auf- und untergehest,
Und wo die Abendröthe,
Den einen Fuß im Meere,
Mit zarter Hand und leisem
Geräusch die Morgenröthe,
Die Schläferin, erwecket,
Dann ihren Kranz von Rosen,
Den, um ihn aufzufrischen,
Sie durch die Wellen ziehet,
Um's Haar der Schwester schlinget!
 
Von diesen Höhen seh' ich
Vier Seee vor mir liegen:
Den Blumensee der Wiesen,
Den goldnen See der Saaten,
Den grünen See der Wälder,
Den blauen See der Wellen,
Der Wiesen, Saaten, Wälder
Und den hier reinlasurnen,
Dort leichtbeflorten Himmel
In seinem Schooße spiegelt.
Fast unsichtbare Netze,
Noch feiner als der Spinne,
Und wie vom reinsten Golde
Gewebt aus Sonnenstrahlen,
Verbreiten, immerrege,
Sich ob der warmen Gegend.
O Gottes weite Schöpfung,
Wie schön bist du und herrlich!
O Harmonie der Vögel,
Die aus dem Walde schallet!
O segensvoller Reichthum
Der Heerden, die die Auen
Und Sümpfe froh durchirren!
O liebliches Gewimmel
Der nimmermüden Fischer,
Die ihren blauen Acker
Zu keiner Zeit besäen,
Und unaufhörlich ernten!
Der Pflüger aber ruhet
Hier in der Sonne Strahlen,
Dort in der Bäume Schatten,
Und sieht der nahen Ernte
Mit frohem Blick entgegen.
Es eilt die niedre Sonne
Zu ihrer Ruh. Viel lauter
Erschallet aus dem Walde
Das Abschiedslied der Vögel,
Viel lauter tönt das Brüllen
Der Heerden, die gesättigt
Zu ihrer Hürde kehren.
Der Fischer singt, begleitet
Von selbstgemachter Flöte,
Ein muntres Lied, und kehret
Zu seiner nahen Hütte
Im beutevollen Kahne;
Der Pflüger aber betet
Mit abgezognem Hute
Um Segen für die Saaten
Und Haus und Weib und Kinder.
 
Die Sonne ruht im Meere,
Und ob der Stelle, wo sie
In vollem Glanz gesunken,
Schwebt eine ungeheure,
Hellglänzend goldne Krone,
Der ein anmuth'ger Halbkreis
Von rosenrothen Strahlen
Entströmet, die, gleich einem
Prunkvollen Baldachine,
Die grünbesäumte Wölbung
Des Abendhimmels decken,
Dem Landmann ein willkommnes,
Bewährtes Zeichen lange
Noch daur'nden schönen Wetters.
 
 
 

Anmerkung des Herausgebers K. F. von Großheinrich:
 
Ein erstes Beispiel, in wie hohem Grade sich ihr Talent zum Plastischen neigte. Wir werden in der Folge sehen, daß sich fast alle ihre Ideen, schon im Augenblicke ihrer Entstehung, in Bilder kleideten. Niemand kann davon überzeugter sein als wir, da wir, in den zwischen ihr und uns vergefallenen Gesprächen, wenn von Entwickelung neuer Ansichten irgend eines Gegenstandes die Rede war, immer in unwillkührliches Erstaunen über ihre, wir möchten sagen, aus Metaphern zusammengesetzte, des unveränderten Niederschreibens würdige Sprache geriethen. Mit andern Personen that sie sich in solchen Fällen, ihrem eigenen Geständnisse nach, Gewalt an, um in den Schranken der gewöhnlichen Umgangssprache zu bleiben. »Am bequemsten unterhalte ich mich über wichtige Gegenstände mit Ihnen, weil ich dann meine Gedanken so mittheile, wie sie in mir entstehen, und sie nicht erst in Prosa zu übersetzen brauche.« Dies sind ihre eigenen Worte.