|
Zur Startseite |
Inhalt Register |
< voriges Gedicht nächstes Gedicht > |
Elisabeth (1808- |
Kulmann
1825) |
|
Die Erscheinung Im Lenz, beim ersten Schimmer Der jungen Morgenröthe, Vom zarten Silberrauche, Der sich der Flur allmählig Entschwinget, wie umschleiert, Sang zum anmuth'gen Tanze Ein Reigen junger Mädchen: Wohin das Aug' sich wendet, Begegnet ihm die Freude: Sie hüpfet auf den Fluren, Sie schwebet in den Lüften, Sie flötet aus dem Haine, Sie klettert auf den Bergen! Drum laßt auch uns, Gespielen, Den Tag der Freude weihen! Da naht' ein Hirt und sagte: Wie waget ihr, o Mädchen, Die feierliche Stille, Die sonst hier herrscht, mit euerm Gesang zu unterbrechen? Seht ihr denn nicht die Stätte, Von jungem Moos bekleidet, Das Grab der Königstochter? - Da formt im Sonnenstrahle Sich auf dem Blumengrabe Ein rosenfarbner Nebel, Wird klarer dann und klarer, Und allen däucht, sie sehen, Wie hinter einem Schleier, Die Glanzgestalt der edlen Erhabnen Königstochter. Da hörten sie die Worte, Wie zarten Klang der Flöte: »Was schreckst du, Greis, die Mädchen? »Wie Lebende im Schlummer, »Den Eos Flügel scheuchet, »Ein Bild oft sehn der Feste, »Die sie den Tag gefeiert: »So zaubern ihre Lieder »In meinen langen Schlummer, »Den keine Eos scheuchet, »Ein süßerinnernd Abbild »Des frühverlaßnen Lebens. »Ergötzet euch, o Mädchen, »Eh' euch, wie mich, der Tod raubt, »Nicht achtend auf der Mutter »Nachjammernde Verzweiflung, »Nicht achtend auf der Schwestern »Lautschluchzend heiße Thränen.« |