|
Zur Startseite |
Inhalt Register |
< voriges Gedicht nächstes Gedicht > |
Anna Louisa (1722- |
Karsch
1791) |
|
Morgengedanken Schön ist der Morgen, schön die trunkne Flur, Von Gottes Wolken gestern überströmt Und heute früh von seiner Sonne Glanz Mit Blumenschöpferblicken angelacht. Die Rose drang aus grüner Knospe leicht, Wie mein Gedank aus diesem Herzen dringt, Aus dieser neuerweckten Seele steigt Zu dem, der mich wie Blumen werden ließ, Verwelken und zu Staube werden läßt, Wenn eine mir bestimmte Stunde kömmt. Ich preise dich, wie dich der Vogel preist, Der unter deinem niedern Himmel schwebt, Ich danke dir, wie dir die Grille dankt, Die kummerfrei von Halm zu Halme hüpft Im manneshoch heraufgewachsnen Korn. Ich bitte dich mit aller Flehekraft, Die du den Menschen eingegossen hast: Erhalte mir ein immerfrohes Herz Voll Zuversicht auf deine Vaterhuld, Bewahre mich vor Lebensüberdruß, Laß mich im Alter noch das Tagelicht Mit diesem Auge trinken, welches dich In deinen Werken wie im Spiegel sieht. Und wie mein Auge schütze meinen Freund! |