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Karoline
(1754-
 
 Rudolphi
1811)
 
 
 
An Amalia
Im Juny 1795.
 
So hab' ich endlich, endlich dich gesehn,
Amalia, in deinem Heiligthum,
(Wo reine Seelen heimisch wohnen, wird
Zum Heiligthume selbst ein bunter Markt,
Zum Heiligthum die öde Wüsteney)
Ich hab', ich habe endlich dich gesehn,
In deinem Hain, der dir ein Feyerlied
Aus hohen Wipfeln leise flüsternd singt;
Am Blumenufer des Gewässers, das
Der schönsten Seele schönes, treues Bild,
Bald rasch, bald leiser, doch zerstörend nie,
Sich durch Gestein und Schlamm und Wurzeln drängt,
Mit Wonn' und Segen Fluren überströmt,
Das rund umher Gebüsch und Hain verschönt,
Unkundig eigner Schöne, still und sanft
Den trüben Grund behend' hinüber wallt
Und endlich sich ins hehre Meer ergießt. -
 
An diesen Ufern, wo Amalia
Entzückt die süße Zauberlaute schlug,
Daß weit umher das Chor der Büsche lauscht,
Dem nie gehörten Sange lüstern horcht,
Daß selbst die Nereide staunend weilt,
Bis auch des Haines letztes Blättchen fällt.
 
An diesen Ufern feyert' ich mit dir,
Mein andres lieb'res, liebes Ich,
In heiligster verschwiegner Einsamkeit,
Von Himmlischen allein, allein gesehn,
Umhüllt von Blumendüften, überwölbt
Von deiner Buchen schattendem Gezelt,
Mit sanft verschränkten Armen, Hand in Hand,
Des Herzens Pförtchen alle aufgethan,
So feyert' ich mit dir das Bundesfest. -
 
Da rann das Bächlein deines *) Lebens klar,
(Die liebliche krystallne Flut) wie Licht
Vor meiner Seele hoch erfreutem Blick,
Vor der Betrachtung still vorüber, die
In dieses Bächleins heller Spiegelflut
Ein süß Gebilde, lächelnd schweben sah.
 
»Gebrechlichkeit! Dein Nahm' ist: Weib!«
Hätt'st, großer Mann! in dem mein stiller Geist
Den Himmelsfunken tief bewundernd ehrt,
Du Feu'rgetaufter, der mit Sonnenblick
Rund um sich schaut, hätt'st du die Weiblichkeit
In ihrer schönsten Schöne hier gesehn;
Dieß kleine Wort wär' nimmer dir entflohn. -
 
Amalia! wie lieb' ich mein Geschlecht
Seit ich dich liebe! Ausgesöhnt durch dich
Selbst mit der Abart, weiß ich freudig nun,
Daß ernste Tugend unsre Herzen nicht
Zu starrem Eis versteinert und verglas't;
Daß Energie der Sanftmuth Blüthe nicht
Mit wilder Lavagluth verzehrend sengt;
Daß warmes Blut, daß Seelenschnellkraft nicht
Den klaren Born des Himmels in uns trübt;
Daß Sinnesfeinheit nicht gleich einem Wurm
Am Glück des Hauses und des Herzens nagt;
Daß des Parnassus holde Gaben wohl
Die schöne Häuslichkeit verschönern, wohl
Mit Rosen Tisch und Lager ihr bestreun;
Doch, rein genossen, nimmer, nimmer Gift,
Noch Wermuth ihrem süßen Becher sind:
Ich weiß (und freue hoch des Wissens mich,
Und traure nicht, dem schwächeren Geschlecht
Anzugehören, was sein Loos auch sey)
Daß leises Sehnen, Herzen zu erfreun,
Von oben her uns in das Herz gelegt,
Daß aller Stolz an diesem Wunsche schmilzt,
Wie spätes Eis am Frühlingssonnenblick,
Und daß der Seelen stille innre Zucht
Den schönen Schleyer sorgsam um ihn webt,
Der ihn unheil'gen Augen tief verhüllt;
Daß reiner Lieb' und hoher Einfalt Sinn
Mit frohem Ernst um reine Liebe wirbt,
Und der Gefallsucht Künsteley verschmäht.
 
Amalia, du hast mich inniglich
Mich Zweifelnde, fest und gewiß gemacht,
Daß rechtes Wissen rechter Wissenschaft
Des Weibes stille Grazien nicht scheucht. -
Sah ich sie nicht mit ihrem Schleyer selbst
An dir verhüllen, was Unweiblichkeit
So gern zur Schau auf offnem Markte trägt?
 
In zarten Seelen wohnt ein zart Gefühl
Des Wissens- und Nichtwissenswerthen; sie,
Sie sondern schnell, behend' vom Weitzen Spreu;
Den ächten Weitzen sammelnd, lassen sie
Die leichte Spreu den Wind umher zerstreun. -
 
So sammlest du des Wissens reifen Kern
(So viel des Vorraths einem Weibe zieret)
In deine Kammern, nährst dein Völklein früh
Mit stärkender, gesunder, reiner Kost,
Du Liebliche! und würzest ihm das Mahl
Mit eignem feinem Geistessalze noch. -
 
Gesehn, gesehn hab' ich, Amalia,
Wie eigner Werth den Flitterkranz des Rangs,
Mit dem der Zufall kränzte, überstrahlt. -
 
Mit dieser eignen Würde wärst du mir
Im Hüttchen, aufgebaut von Leim und Stroh,
Im gröbsten, selbstgesponnenen Gewand,
Was du mir jetzt in Orients Geweb',
In weicher Hülle zart und schön gehüllt,
Du Königin des Gothenschlosses bist;
Amalia, auch ohne Harfenspiel,
Auch ohne diesen Zauber um dich her,
Du wärest, ja, du wärst mein lieb'res Ich!
 
Doch, daß die Muse ja dein Lob mir nie
Gebiete; o ich sing ihn nicht, den Kreis
Der Seelen-Grazien, in dem du wallst;
Denn ach! parteylos säng' ich nimmermehr -
Ist nicht die schönste deiner Grazien,
Die holdeste, erwählte, liebste mir,
Die immer neue Liebe, die für mich
In deinem treuen, edlen Herzen glüht?
 
 
 
[Fußnote:]
*) Da erzähltest du mir deine Geschichte.